: „Weihnachten ist ein heidnisches Fest“
■ Der Zeuge Jehovas Siegfried Albuszies über heidnische Bräuche der Christen, Geburtstagsfeiern, die Weihnachtsbeleuchtung der Städte und 144.000 Geistgesalbte
taz: Die Zeugen Jehovas sind Christen, die Weihnachten nicht als das Geburtsfest von Jesus feiern. Ist das nicht absurd?
Siegfried Albuszies: Nein. Die Bibel kennt Weihnachten nicht. Auch die weltliche Geschichtsschreibung, die sich mit dem Christentum des ersten Jahrhunderts beschäftigt, zeigt: Die Christen haben weder den Geburtstag Jesu Christi noch den irgend eines seiner Nachfolger im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung gefeiert, obwohl das im Römischen Reich üblich war, Geburtstage zu feiern..
Welche Nachfolger Christi?
Die Jünger, von denen die zwölf Apostel ja nur ein kleiner Teil waren...
Das bedeutet: Die Christen der Urkirche haben ihren eigenen Geburtstag auch nicht gefeiert?
So ist es.
Warum nicht?
Mit den damals üblichen Geburtstagsfeiern waren Gebräuche verbunden, die dem völlig entgegenstanden, was das Leben eines Anbeters Gottes ausmacht.
Juden haben ihren Geburtstag demnach auch nicht gefeiert?
Richtig. Heute ist es natürlich eine Sache der Tradition, man macht es einfach.
Was steht denn in der Bibel über Weihnachten?
Überhaupt nichts. Auch das Wort gibt es nicht. Es wird über die Geburt Jesu berichtet, aber ein Datum gibt es nicht. In der Bibel steht nur, daß er mit 33 und einem halben Jahr hingerichtet wurde, das ist Ostern, dann muß die Geburt um den 1. Oktober herum gewesen sein.
In der Weihnachtsgeschichte der Bibel haben die Hirten auf dem Felde geschlafen, das tat man damals auch nicht im Dezember, da ist es zu kalt.
Genau.
Und die ganze Weihnachtsbeleuchtung in der Stadt – welcher Brauch ist das?
Wenn man einen Vergleich anstellt zwischen dem, was heute an Weihnachtsbräuchen gepflegt wird, und dem, was die Römer gepflegt haben an den Saturnalien, also bei ihren Wintersonnenwend-Feiern, dann stellt man eine Menge Übereinstimmung fest.
Was haben die Römer angebetet?
Die hatten verschiedenste Gottheiten.
Das bedeutet: Weihnachten ist für Sie ein heidnisches Fest?
So kann man das sagen.
Wie kommt es, daß so viele christliche Prediger die Sonntagspredigt dann ausgerechnet an einem heidnischen Festtag halten?
Das ist eine Sache, die wir ebenso mit Verwunderung betrachten wie Sie. Jesus sagt: Nicht jeder, der sagt „Herr, Herr“ wird in das Königreich Gottes eingehen.
Wie? Alle, die zu Weihnachten in die Kirche gehen, kommen nicht in den Himmel?
Gemäß der Bibel kommen wir nicht in den Himmel, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie die Kirche und ihre Prediger das lehren. Die Bibel spricht davon, daß 144.000 Geistgesalbte Nachfolger Jesu Christi werden.
Wo steht das?
In der Offenbarung des Johannes, Kapitel 7 und Kapitel 14. In eine solche Stellung kann sich niemand bewerben. Diese Auswahl wird von unserem Schöpfer höchstpersönlich getroffen.
Dafür kann man nichts tun?
Naja, es scheiden natürlich von vornherein diejenigen aus, die nicht entsprechend dem Willen Gottes leben. Die CDU würde ja auch keine Leute aus der SPD aufnehmen. Aber der Gedanke, der dahinter steht, ist, daß alle anderen, die Nachfolger Jesu Christi sind und sich danach richten, was in der Bibel steht, die Hoffnung haben dürfen, einmal auf einer paradiesischen Erde zu leben.
Wie kommt die Staatskirche dazu, die Zeugen Jehovas, die ja offenbar danach leben, was in der Bibel steht, mit dem Sektenverdacht zu diskriminieren?
Ich denke, das hängt damit zusammen, daß wir schon dadurch, daß wir auf die Bibel verweisen, bei den etablierten Kirchen oftmals den Finger in die Wunde legen...
Interview: Klaus Wolschner
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