piwik no script img

DER MUFF VON 40 JAHREN

■ Studentenrevolte gegen die Studentenrevoluzzer von 1968

Fritz G. ist empört. Vor seinem Fenster hat sich ein Grüppchen von StudentInnen aufgebaut. „Professoren – raus aus den Unis“ steht auf einem Plakat. Und dann beginnen diese Grünschnäbel auch noch zu rufen: „In den Seminaren der Muff von 40 Jahren.“ Das ist doch nun wirklich das letzte, denkt Fritz G. Unser Spruch! Wir sind es schließlich, die dafür gesorgt haben, daß jeder eine Bildungschance bekommen konnte. Und wir sind in die Institutionen gegangen, um sie zu verändern. Und wir haben sie verändert!

Jetzt greift eine Studentin zum Megaphon. Sie fordert Lohnkürzungen für Professoren – Umverteilung zugunsten von Tutorien. Fritz G. schüttelt den Kopf. Wie stellt die sich das vor? Was würde dann aus der freien Forschung, aus seinen jahrelangen Studien zur Verteilungsgerechtigkeit?

Die Leute heute haben doch nur noch ihr eigenes Ding im Kopf. Das stellt er auch bei seinen Studien immer deutlicher fest. Nichts mehr mit Solidarität. Heute denken die jungen Leute nicht mehr an die Menschen anderswo. Nicht mal mehr in die Sozialversicherung wollen sie einzahlen. Nur noch für sich selbst sorgen. Was bilden die sich bloß ein? Bis zu 16 Stunden am Tag ackert er dafür, die Grundlagen für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung zu schaffen.

Nein, wenn man so was erleben muß, dann würde man sich am liebsten sofort pensionieren lassen. Aber dann solchen Leuten das Feld überlassen? Nein, nein, nein. Die sollen sich erst einmal auf die Vor-, Zwischen-, Hinter- und Zusatzprüfungen vorbereiten.

Plötzlich spürt Fritz G. einen Schlag am Bauch, sieht leuchtendgrüne und rote Flecken auf seinem auberginefarbenen Jarkett. Für Sekunden ist er völlig verwirrt. „Farbbeutel!“ diagnostiziert er schließlich. Muß durchs offene Fenster geflogen sein.

Wer war das?! Setzen – 6.

Mein Gott, das gute Stück. Hoffentlich hat Doris einen Fleckenteufel dafür. Sie ist im Haushalt ja immer so geschickt.

Bloß weg hier.

Auf dem Flur Gedränge. Fritz G. versucht sich durchzuboxen. Ein paar StudentInnen drücken ihn durch die Tür zum Damenklo. Mist, sie verrammeln auch noch die Tür. „Was wollen Sie denn hier? Hier ist das Frauenklo. Und ich putz' hier gerade!“ pöbelt ihn eine Frau an. Fritz G. entschuldigt sich. Blöde Ziege. Er erklärt die Situation. Und plötzlich kommt ihm eine blendende Idee: Bestimmt ist sie eine von den 3-Mark-Hilfskräften. So eine wollte er schon immer mal interviewen – mal horchen, was das Volk so denkt. Annette Jensen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen