: Nicht mal über ihre Leiche
Eine britische Unternehmerin bietet „Do it yourself“-Beerdigungen im Öko-Papp- Sarg und einen Bestattungsservice von Frauen für Frauen ■ Von Kristin Holighaus
Widerstrebt es Ihnen als Frau, nach Ihrem Tod von unbekannten Männern in der Leichenhalle herumgeschoben zu werden? Möchten Sie eine Bestattung in einem Wald oder einem Naturschutzgebiet? Oder wollen Sie lieber Ihre Asche in Ihrer Lieblingsschachtel im eigenen Garten vergraben wissen? Im britischen Örtchen Watchet bemüht sich eine Unternehmerin, solche Wünsche mit ihrem Beerdigungsinstitut zu erfüllen. Seit 18 Monaten betreibt die Expensionärin Barbara Butler mit „Martha's funerals“ und „Green undertakings“ das exzentrischste Beerdigungsunternehmen im ganzen Land.
Auf dem Ortsplan der verschlafenen 5.000-Seelen-Gemeinde Watchet in Somerset ist neben dem Parkplatz immer noch die Arztpraxis eingezeichnet. Doch schon seit einem Jahr residiert Barbara Butler in dem roten Backsteingebäude an der Swain Street. Weder von außen noch von innen haftet dem Domizil die todernste Abgeschiedenheit deutscher Bestattungsinstitute an. Der Empfangsraum von „Martha's funerals“ und „Green undertakings“ beherbergt eine wechselnde Ausstellung, die aus Bildern aus der Galerie nebenan und Flugblättern über den ortsansässigen Tauschring oder Fußreflexzonenmassage besteht. Ein bemalter Pappkartonsarg und ein bunter Faltsarg aus Zimbabwe, die hier ebenfalls ausgestellt sind, harmonisieren aufs freundlichste mit der einladenden Atmosphäre des Zimmers. „Wir wollen nicht vom normalen Leben ausgeschlossen sein“, sagt Barbara Butler. „Schließlich ist der Tod ein Teil des Lebens.“
Die Tote bleibt in Frauenhand
An der Pinnwand ihres Büros hängen zahlreiche der in Großbritannien so beliebten Dankeskarten. „Ich möchte, daß alle Leute genau die Beerdigung bekommen, die sie sich vorstellen“, erklärt Mrs. Butler ihre Unternehmensphilosophie. Der Postdienst aus dem Jenseits funktioniert zwar nicht unbedingt, aber zumindest die Angehörigen ihrer KundInnen zeigen sich zufrieden mit ihrem Service.
Mit „Martha's funerals“ hat Barbara Butler das europaweit einzige Beerdigungsinstitut für Frauen eröffnet. An „Martha's funerals“ können sich Frauen wenden, die nach ihrem Tod keine Männer in ihrer Umgebung haben wollen. Sämtliche Arbeiten von der Totenwäsche bis zum Fahren des Leichenwagens werden ausschließlich von Frauen vorgenommen.
Bislang gab es eine solche Einrichtung nur bei „White Ladies“ in Australien. Mit dem neuen Angebot reagiert Mrs. Butler auf Wünsche, die weniger von Feministinnen als vielmehr von alleinstehenden, älteren Damen geäußert werden. „Viele haben mir gesagt, daß sie nach ihrem Tod in der Leichenhalle nicht von Männern gewaschen und herumgeschoben werden wollen.“ Nicht unbedingt, weil sie besonders prüde wären, vermutet die Unternehmerin, sondern weil sie das Gefühl hätten, Frauen würden sanfter und vorsichtiger mit einem Leichnam umgehen. „Schließlich waren ja auch sämtliche Pflegeberufe bis vor kurzem ausschließlich weiblich“.
Der Name des neuen Instituts erinnert an die biblische Martha, deren Schicksal es war, ihr Leben mit der Verrichtung häuslicher Arbeiten zu verbringen. Mit „Martha's funerals“ greift Barbara Butler eine Tradition wieder auf, die in Europa in den letzten Jahrzehnten verlorengegangen ist. „Ich bin in einem Dorf großgeworden. Immer, wenn jemand starb, wurde die Leichenwäscherin gerufen“, erzählt Barbara Butler. Von dem neuen Angebot sollen Männer allerdings nicht ausgeschlossen werden. „Natürlich können sich auch Männer von uns beerdigen lassen, wenn sie das wollen.“
Die 67jährige Unternehmerin ist lässig mit Jeans und blauem Hemd bekleidet. Nichts an ihr ist förmlich und steif. Ihr wichtigstes Anliegen, das sie auch durch ihre Kleidung und ihr Auftreten vermittelt: Der Tod ist nichts, was man tabuisieren müßte, er ist etwas Normales. „Ich möchte versuchen, den Leuten die Angst vor dem Umgang mit dem Tod zu nehmen“, sagt Barbara Butler.
Dieser Gedanke war es auch, mit dem sie vor einigen Jahren ihr Beratungszentrum für unabhängige Bestattungen, das „Independent funeral advice office“ gründete. Nach dem Tod ihrer Mutter wollte sie deren Beerdigung mitgestalten. „Aber kein Beerdigungsinstitut wollte mir sagen, wie ich das machen kann.“ Barbara Butler fing an, Gesetzestexte zu wälzen und Behörden mit Anfragen zu nerven. „Nachdem es uns schließlich gelungen war, meine Mutter ganz ohne den Service eines Bestatters allein im Kreise der Familie zu beerdigen, riefen mich Leute an und wollten wissen, was man dazu alles tun muß.“ Bald stand das Telefon nicht mehr still.
Jetzt führt Barbara Butler ihre Beratungsgespräche nicht mehr von zu Hause, sondern in ihrem Unternehmen in der Swain Street. Anrufe aus ganz Großbritannien beweisen täglich, wie viele Menschen das Bedürfnis haben, die Beerdigung eines Angehörigen mitzugestalten oder zu planen – oder auch ihre eigene. „Do it yourself“ lautet eines der beliebtesten englischen Prinzipien – und Barbara Butler hat erkannt, daß viele BritInnen dies auch gern auf die eigene Beerdigung anwenden würden. Die britischen Bestattungsvorschriften lassen viel Platz für diese Philosophie, sind sie doch weniger strikt als die deutschen Gesetze.
Wie vergräbt man die Asche im Garten?
Mrs. Butler und ihr Team geben Tips, was man bei solch einer Do- it-yourself-Beerdigung beachten muß, wie man eine Urne auf dem eigenen Grundstück oder die Asche im Garten vergräbt. Doch Mrs. Butler merkte bald, daß viele AnruferInnen nicht allein buddeln wollten. „Immer häufiger wurde ich gefragt, ob ich dies oder das für die Leute erledigen könne. Das konnte ich anfangs natürlich nicht.“ Also beschloß die Pensionärin, daß es mit dem Ruhestand nun endgültig sei. Sie gründete ihr eigenes Bestattungsinstitut, das sie von ihrer Beratungstätigkeit strikt getrennt hält. Die Beratungen sind kostenlos, die KundInnen müssen nur für den Service bezahlen, der von ihrem oder einem anderen Beerdigungsunternehmen geleistet wird. „Natürlich bringen wir uns damit gewissermaßen auch ums eigene Geschäft, aber das Wichtigste ist mir, den Leuten zu helfen“, erklärt Barbara Butler.
Wer sich entschließt, auf „Green undertakings“ („Grüne Bestattungen“) oder „Martha's funerals“ zurückzugreifen, zahlt im Durchschnitt ein Drittel weniger als bei einem anderen Bestattungsinstitut. Den großen Beerdigungsunternehmen, die in Großbritannien zumeist als Unternehmenskette organisiert sind, hat Barbara Butler mittlerweile offen den Kampf angesagt: „Die meisten versuchen, den Leuten in einer schwachen Situation das Geld aus der Tasche zu ziehen. Individuelle Bedürfnisse werden nicht erfüllt“, sagt sie. In ihrem Feldzug zeigen sich bereits erste Erfolge, haben ihre Werbeanzeigen doch dazu geführt, daß die Konkurrenz ihre Preise senken mußte.
Noch billiger kommt es, wenn man den Tauschring in Somerset in Anspruch nimmt, bei dem Butlers Unternehmen Mitglied ist. Ihr Beerdigungsservice kann zumindest zur Hälfte im Tausch gegen eine andere Dienstleistung „abbezahlt“ werden.
„Funerals that give back to the earth without ,costing the earth‘“ lautet der Werbeslogan auf dem grünen, natürlich auf umweltfreundlichem Papier gedruckten Flugblatt. „Möchten Sie sowohl im Leben als auch nach Ihrem Tod mithelfen, Wälder und Wiesen zu erhalten?“ werden die LeserInnen gefragt. Wenn sie das wollen, preisen sich die „Grünen Bestattungen“ als „die Spezialisten für umweltfreundliche Beerdigungen“ an.
Viele, aber nicht alle KundInnen von Barbara Butler sind ökologisch orientiert. Wer es traditionell bevorzugt, bekommt bei ihr auch eine streng konventionelle Beerdigung. Da dies in der ländlichen Umgebung Watchets nicht gerade selten der Fall ist, besitzt ihr Unternehmen seit letztem Sommer auch einen herkömmlichen schwarzen Leichenwagen.
„Ich kann Verschwendung nicht ausstehen“
Die Idee, ihr Bestattungsunternehmen ökologisch auszurichten, begründet Barbara Butler mit einer ganz persönlichen Überzeugung: „Ich kann Verschwendung nicht ausstehen“, erklärt sie und zuckt mit den Schultern. Auf die Idee, massive Holzsärge zu verkaufen, „käme ich im Traum nicht“. „Es kommt mir absurd vor, Bäume zu fällen, um damit Särge herzustellen, die wieder in die Erde verschwinden.“
Deshalb bietet ihr Unternehmen Särge aus Pappkarton an, die zu 85 Prozent aus recyceltem Material hergestellt wurden. Neuerdings interessiert sich auch ein deutscher Fabrikant dafür. Bei rund drei Viertel ihrer umweltbewußten Kunden fällt die Wahl auf die Kartonage. Die schlichten Särge sind nicht nur umweltfreundlich, sondern auch preisgünstig – mit rund 150 Mark kosten sie die Hälfte der eichefurnierten Modelle aus Preßspan. Und auch die sind nur halb so teuer wie die Holzsärge, wie sie die Konkurrenz verkauft. Wer dennoch einen Sarg will, der wie Mahagoni aussieht – kein Problem: Die Mahagonipapierfolie wirkt täuschend echt und kann auf jedes Modell aufgeklebt werden. Auch die Pappkartonsärge können je nach Wunsch verziert werden. Als vor kurzem ein Kapitän starb, wurde er in einem blauen, mit Ankern und Seilen verzierten Sarg in der Erde versenkt.
Doch für RadikalökologInnen gibt es noch weitere Möglichkeiten: Die umweltfreundlichste und kostengünstigste ist eine aus Weide geflochtene Bahre, auf der man mit einem Tuch bedeckt beerdigt werden kann – sie kostet nur 50 Mark. Wer auf seiner oder ihrer letzten Fahrt Benzin sparen will, bevorzugt statt des Leichenwagens den unauffälligen, weinroten Kombi. Mit dem kann man sich in eine der knapp vierzig „Nature reserve areas“ der Insel bringen lassen, um dort am ewigen Recycling der Natur teilzunehmen. In diesen Naturschutzgebieten dürfen Tote ohne Gedenksteine bestattet werden. Umweltbewußte Angehörige pflanzen aber einen Baum auf das Grab und tragen so zur Wiederaufforstung Großbritanniens bei.
Doch wer will, kann seine Asche auch im eigenen Garten beisetzen lassen. Auch hier denkt Barbara Butler sparsam: „Man muß sich ja nicht extra eine Urne kaufen. Vielleicht hat man eine Lieblingsschachtel, die dafür geeignet ist.“
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