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Ein Wintercafé für Obdachlose

Beheiztes Zelt für Nichtseßhafte auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz  ■ von Lisa Schönemann

Das Straßenmagazin Hinz & Kunzt und der Mitternachtsbus des Diakonischen Werkes haben gestern auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz ein Cafézelt eröffnet. Ein Blatt-Verkäufer hatte die Idee für „Das Wintercafé“. Die beheizte Einrichtung ist für diejenigen gedacht, die 24 Stunden am Tag mit den frostigen Temperaturen kämpfen müssen, weil sie kein Dach über dem Kopf haben.

Doch nicht nur Obdachlose sind herzlich eingeladen, „jeder, der mag, soll sich 'reintrauen“, so Birgit Müller-Classen, Mitorganisatorin des Projekts. Das Zelt sei kein „Patentrezept gegen die Kälte“, aber eine Anlaufstelle für Männer und Frauen, denen in der City sonst nur ein Platz an den Entlüftungsrohren der Kaufhäuser bleibt.

Das eiligst hochgezogene Aufwärmzelt hat 56 Quadratmeter für Tische und Bänke sowie in begrenztem Umfang auch Platz für Habseligkeiten und die unverzichtbare „Platte“, die sich jeder Nichttseßhafte morgens unter den Arm klemmen muß.

„Wichtig war für uns ein Standort in der Innenstadt, der leicht zu erreichen ist“, so Müller-Classen. Bei der Planung wurden die OrganisatorInnen davon überrascht, daß sie binnen eines Tages die Genehmigung vom zuständigen Ordnungsamt erhielten.

Mindestens 1.200 Menschen leben derzeit in Hamburg auf der Straße, schlüpfen in Abbruchhäusern unter oder versuchen ihr Glück in einer der Sammelunterkünfte des Winternotprogramms der Sozialbehörde.

Auf Wohnschiffen, in Containern und der Übernachtungsstätte „Pik As“ stehen 260 Plätze zur Verfügung. Etwa ein Viertel davon steht jedoch leer, denn viele Wohnungslose machen lieber einen Bogen um die unwirtlichen Massenquartiere, weil sie um ihre Habe und den letzten Rest von Privatsphäre fürchten.

Das Landessozialamt bestätigte gestern gegenüber der taz, daß die Sozialhilfe für Obdachlose „nur in Einzelfällen“ in Warengutscheinen ausgezahlt wird. Nichtseßhafte erhalten den Regelsatz von 531 Mark und Kleidergeld. „Nur wenn die Hilfe zum Lebensunterhalt mehrfach zweckentfremdet wurde, wird die Sozialhilfe in Raten oder mittels Gutscheinen ausgezahlt“, so ein Mitarbeiter des Landessozialamtes. Spezielle Supermärkte für Unterstützungsbedürftige wie in Ostdeutschland hält auch Christina Baumeister für sehr bedenklich: „Da werden nur minderwertige Lebensmittel und zerbeulte Dosen verkauft“, hat die Sprecherin der Sozialbehörde erfahren.

Für die Finanzierung des Zelt-Cafés hoffen die InitiatorInnen auf Spenden. (Hinz & Kunzt, Stichwort Wintercafé, Haspa, Konto 1280/167873, BLZ 200 505 50). Ehrenamtliche Helfer des Mitternachtsbusses sorgen dafür, daß der neue Treffpunkt rund um die Uhr geöffnet ist. Wer mitarbeiten und Schichten übernehmen möchte, kann sich vormittags zwischen 7 und 14 Uhr auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz vorstellen.

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