piwik no script img

Vor dem Abriß noch schnell ein Foto

Haus weg, Wohnprojekt auch: Wohnungspolitik im Bezirk Mitte  ■ Von Heike Haarhoff

Karl-Heinz Ehlers, christdemokratischer Hardliner in der Hamburger Bürgerschaft mit ausgeprägten Antipathien gegen alles Alternative, hat mal wieder zugeschlagen: Das bereits fertig geplante Wohnprojekt in der Budapester Straße 8 auf St. Pauli wird es nicht geben. Statt dessen befiehlt Ehlers als Geschäftsführer der städtischen Grundstücksverwalterin Sprinkenhof AG, das stadtteilprägende Gründerzeithaus mit der Rundbogen-Fassade abzureißen. Seinen Abbruch-Antrag genehmigte die sozialdemokratische Mehrheit gestern im Bauausschuß des Bezirks Mitte.

„Zu teuer“ sei der Erhalt des maroden, schwamm- und pilzbefallenen Gebäudes gewesen, faßt Baudezernent Peter Gero (SPD) die offizielle Abrißbegründung zusammen. Einen „stadtplanerisch und sozialpolitischen Skandal“ wittert dagegen der grüne Bezirksabgeordnete Volker Nienstedt. Erstens habe das Denkmalschutzamt dem Gebäude „Denkmalschutzeigenschaften“ zugesprochen, die nun vernichtet würden. „Wir fotografieren doch die Fassade und bestehen darauf, daß der Neubau genau wie das historische Gebäude aussieht“, will der Baudezernent das Problem nicht erkennen.

Und zweitens, so Nienstedt, hätte das Wohnprojekt in einem Neubau „keine Schnitte“. Das bestätigt Karin Schmalriede, Geschäftsführerin der Lawaetz-Stiftung, die das Konzept entwickelte: „Während es für Altbauten städtische Mittel gibt, müssen Wohnprojekte, die in einen Neubau einziehen wollen, über eigenes Geld verfügen.“ Das aber haben die jungen Leute bekanntlich nicht.

Fraglich ist jetzt, wo überhaupt sie unterkommen sollen: Aus ihrem derzeitigen Domizil in der Kampstraße 7 müssen sie im Zuge der Sanierung des „Laue-Komplexes“ im Schanzenviertel demnächst raus (taz berichtete). „Jetzt ist die Stadt in der Pflicht“, einen neuen Standort zu finden, schimpft Schmalriede.

Doch der Stadt steht der Sinn eher nach Spekulation: Das Grundstück an der Budapester läßt sich unbebaut gewinnbringender verkaufen. Zumal es sich nach dem Abriß als zusammenhängende Einheit mit der benachbarten Freifläche (Ecke Simon-von-Utrecht-Straße) verscherbeln ließe.

Unterdessen laufen die Planungen für eine städtebauliche „Aufwertung“ des Nordens von St. Pauli auf Hochtouren. Nachdem erst im Juni 1996 das Powerhouse als „historisch bemerkenswertes Gasthaus“ unter Denkmalschutz gestellt wurde, soll im kommenden Jahr auch die benachbarte ehemalige Eisengießerei an der Simon-von-Utrecht-Straße saniert und in ein Stadtteilzentrum mit Cafés, Ateliers und Büros umgebaut werden.

Nach Informationen der taz macht Thomas Kreye, Sohn eines Hamburger Bauunternehmens und Besitzer der seit Jahren leerstehenden Fabrik, den Umbau allerdings von einem weiteren Projekt abhängig: Auf dem Recyclinghof hinter der Eisengießerei will er 40 Sozialwohnungen bauen. Ohne die öffentliche Wohnungs-Finanzierung trage sich der Umbau der Eisengießerei wirtschaftlich nicht. Der Recyclinghof könnte auf das Heiligengeistfeld in die Nähe des alten Bunkers ziehen. Baudezernent Peter Gero mahnt derweil zur Eile: „Einen weiteren Winter übersteht die Eisengießerei nicht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen