: Kinderkanal statt Kabelsalat
■ Einigung mit Arte über gemeinsame Frequenz dauerhaft – Kinderhilfswerk bezeichnet Senderkonzept als gefährlich
Enttäuschte Kinder, erboste Eltern – der Start des öffentlich-rechtlichen Kinderkanals am Neujahrstag war alles andere als erfolgreich. In mehreren Bundesländern waren Flipper und die Sendung mit der Maus nur per Satellitenschüssel zu empfangen. Ursache waren mangelnde Sendeplätze im Kabelnetz. Sozusagen Kabelsalat.
Mehr Glück hatten die Bremer Steppkes. Von Sendebeginn an konnten sie den neuen Kanal per Kabelfernsehen empfangen. Jetzt rückt Gert Ukena, Justitiar der Bremer Landesmedienanstalt (LMA), mit weiteren guten Nachrichten raus: Die Kabelfrequenz ist gesichert. Außerdem ist schon ab Februar eine Sendeverlängerung täglich bis 19 Uhr geplant. Damit kann dann das komplette Programm empfangen werden.
Das Glück für die Bremer JungbürgerInnen ist eine dauerhafte Einigung mit dem europäischen Kultursender Arte. Die Arte-Leute und der in Erfurt beheimatete Kinderkanal teilen sich in der Hansestadt den Sonderkanal fünf und in Bremerhaven den Sonderkanal sieben. Arte sendet also nur von 19 Uhr abends bis sechs Uhr morgens. „Mit der Lösung sind alle glücklich“, sagt Ukena. Bobby Nündel, Marketingchefin des Kinderkanals, spricht sogar von einer Ideallösung: „Wir brauchen gar keine Voll-Lizenz. Unser Publikum – Kinder von drei bis 13 Jahre – schaut in der Regel nach 19 Uhr nicht mehr viel fern. Zudem ist die Bremer Lösung preiswerter.“
Die Einigung hört sich aber glatter an, als sie es ist. „Wir haben erhebliche Probleme mit der Vergabe von Sendeplätzen“, berichtet Ukena von der LMA. „Auf 28 Plätze sind jetzt schon 44 Anbieter verteilt.“ So teilt sich auch der Sender Video-Hits 1 eine Frequenz mit Euro-Sport. Allerdings sind die Videojockeys schlecht auf die LMA zu sprechen. „Die hatten vorher den Sendeplatz des Kinderkanals. Jetzt müssen sie nachts senden, da Euro-Sport tagsüber den Platz beansprucht“, so Ukena.
Das Problem wird sich in Zukunft erst mit dem digitalen Fernsehen lösen lassen. Zur Zeit gibt es auf dem sogenannten Hyperband 18 zusätzliche Kanäle. Davon sind aber nur drei für analoges Fernsehen reserviert. Der Rest steht für die digitale Ära zur Verfügung. „Das sind 15 Sendeplätze mit einer jeweiligen Bandbreite von acht Megahertz“, erklärt Bremens Telekom-Sprecher Klaus Wendel. „Im Zuge der Digitalisierung lassen sich aber per Kompression auf jedem Platz zehn Sender unterbringen. Das schafft Platz für 150 Programmanbieter in Bremen.“
Zurück zum Kinderkanal: Wenn dieser ab Februar auch in Bremen in vollem Umfang zu empfangen ist, kommt auch das Konzept voll zu tragen. „Morgens gibt's Sendungen für Vorschulkinder, ab mittags auch für die älteren und in der Hauptsendezeit am Nachmittag sollen die Sendungen die ganze Familie ansprechen“, erläutert Marketingchefin Nündel. Dabei werden viele Klassiker etwa von der Augsburger Puppenkiste bis hin zu Pippi Langstrumpf gesendet. Hinzu kommen bekannte Moderations-Sendungen wie die Sendung mit der Maus und der Tigerenten-Club sowie Eigenproduktionen.
Allerdings beäugt das Deutsche Kinderhilfswerk den neuen Kanal jetzt nach einer Woche „auf Sendung“ höchst mißtrauisch. Präsident Thomas Krüger: „Die Kinder werden zuwenig beteiligt. Stattdessen zieht man sich reine Fernseh-Konsumenten heran, die einfach nur abgefüttert werden. Zur Zeit erfüllt der öffentlich-rechtliche Kinderkanal seinen Auftrag in keiner Weise.“ Mit der Gewissensberuhigung für die Eltern, daß der Sender werbe- und gewaltfrei sei, schaffe man eine Kinder-Abstellstation. Die Eltern müßten mit den Kindern zusammen fernsehen. Gefragt seien Sendungen, die die Kinder ernst nehmen mit ihren Wünschen und Sorgen. „Und an diesem Anspruch der Kinder, an ihren altersspezifischen Interessen und Wünschen nach Unterhaltung und vor allem Information, muß sich nicht mehr nur jede einzelne Sendung, die für Kinder gemacht wird, sondern muß sich das gesamte Programm eines Kinderkanals ausrichten und messen lassen. Und das täglich. Wenn man die Kinder einfach nur sitzen läßt vor dem Fernseher, birgt ein eigener Kanal für Kinder eine große Gefahr.“
Generell begrüßt Krüger aber die Institution Kinderkanal. Nach Umfragen steige die durschnittliche Fernsehzeit schon länger nicht mehr an. „Somit ist auch die Gefahr nicht gegeben, daß die Kinder, nun da es einen Sender gibt, der den ganzen Tag Beiträge für sie austrahlt, ununterbrochen vor dem Fernseher sitzen. Schließlich fangen auch Kinder irgendwann an, sich zu langweilen.“ jeti
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