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Briten für die Royals

Beim größten TV-Ereignis aller Zeiten erklärten zwei Drittel der Briten den Windsors ihre Solidarität  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Vor zehn Jahren hätte es noch als Majestätsbeleidigung gegolten. Doch seitdem hat das Ansehen der britischen Königsfamilie so sehr gelitten, daß ein Fernsehsender die Nation öffentlich befragen kann, ob sie die Windsors zum Teufel schicken möchte. Es war das größte Spektakel in der Fernsehgeschichte. Zweieinhalb Millionen Menschen stimmten vorgestern abend telefonisch ab, als der unabhängige Fernsehsender ITV die Frage stellte: „Wollt ihr die Monarchie?“

Um das Ergebinis vorwegzunehmen: Nur die Schotten stimmten für die Republik, die übrigen Briten – zwei Drittel der Abstimmenden – hängen an ihrer Regierungsform. Das heißt aber nicht, daß sich die Windsors zufrieden zurücklehnen können: Bei der Live-Fernsehübertragung aus dem Konferenzzentrum in Birmingham, zu der 3.000 „handverlesene Gäste“ aus zwanzig Städten und zwei Dutzend Experten geladen waren, wurde nicht mit Kritik an der Königsfamilie gespart. Monarchisten und Republikaner lieferten sich grobe Wortgefechte, die an Wirtshausstreitereien erinnerten – oder an Unterhausdebatten, wie der Produzent der Sendung sarkastisch bemerkte.

Als Andrew Morton, Verfasser einer Charles-Biographie, die Königin als schlechte Mutter hinstellte, fuhr ihn Trivialschriftsteller Frederick Forsyth an: „Das ist doch absolute Scheiße!“ Bernard Ingham, ehemals Margaret Thatchers Privatsekretär, erklärte dem Exherausgeber der Sunday Times, Andrew Neil, daß er für seine republikanischen Ansichten früher hingerichtet worden wäre. Neil konterte: „Lieber geköpft für etwas, an das ich glaube, als ein kastriertes Sprachrohr für Thatcher.“

Immer wieder wurde das Streitgespräch auf dem Podium durch Tumulte im Publikum unterbrochen. Als wieder einmal vom verkorksten Familienleben der Windsors die Rede war, sprang eine Jamaikanerin im Parkett auf und brüllte: „Keiner von euch Scheißern da oben verdient auch nur halb soviel Respekt wie die Royals!“ Einig war man sich lediglich, daß sich die Königsfamilie selbst finanzieren müsse und daß Camilla Parker-Bowles, die Geliebte von Charles, nichts auf dem Thron zu suchen habe.

Kaum einer der Teilnehmer versuchte der Debatte einen Hauch an Seriosität zu verleihen. Professor Stephen Haseler von der Republikanischen Bürgerinitiative sagte, es gehe doch gar nicht um die Windsor-Skandale, sondern um den Wunsch, das Staatsoberhaupt wählen zu dürfen. Dafür mußte er sich von Peter Hitchens vom Daily Express als „Verlierer“ und „Asozialer“ beschimpfen lassen. Würde man das Staatsoberhaupt wählen lassen, dann wäre übrigens Prinzessin Anne die erste Präsidentin einer Republik Großbritannien. Eine Umfrage hat ergeben, daß sie knapp vor dem Geschäftsmann Richard Branson liegen würde, der gestern in Marokko mit einem Heißluftballon auf Weltumrundung gegangen ist.

Die Queen, so hieß es, habe am Dienstag ein anderes Programm eingeschaltet. Daß der Ruf ihrer Familie angeschlagen ist, hatte sich jedoch auch vor der ITV-Sendung bis zum Buckingham-Palast herumgesprochen. Ihrer traditionellen Weihnachtsansprache hören nur noch halb so viele Untertanen wie vor fünf Jahren zu, auch wenn ein Studiogast in Birmingham versicherte, er lege die Videoaufzeichnung täglich um 15 Uhr ein. Eine Umfrage des seriösen Meinungsforschungsinstituts Mori hatte ergeben, daß nur noch gut ein Drittel glaubt, die Royals seien ihr Geld wert. Schlimmer noch: Auf die Frage, welche drei nützlichen Dinge das Königshaus tue, mußten 83 Prozent passen.

Königin Elizabeth, die früher über öffentliche Diskussionen stets borniert hinweggesehen hatte, ist inzwischen klargeworden, daß sich das Ende der Monarchie nur durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit verhindern läßt. Im vorigen Jahr bildete sie mit Sohn und Ehemann sowie einer Handvoll Beratern einen PR-Thinktank. So erwägt man, das Haus Windsor im Stile skandinavischer Monarchien einzuschrumpfen, auf die Apanage zu verzichten und als Oberhaupt der anglikanischen Kirche zurückzutreten. Kurz vor der Sendung am Dienstag ließ die Queen noch bekanntgeben, daß sie die Schirmherrschaft über das Blaue Kreuz, eine Tierschutzorganisation, übernehmen werde. Und Prinz Charles, ebenfalls auf Imageverbesserung bedacht, entschuldigte sich bei seiner Exfrau Diana und bei der Nation auf der Titelseite des Daily Mirror: „I'm so sorry!“

Ob es ihm etwas nützt, muß man abwarten. Wenn die Queen so alt wird wie ihre Mutter, die mit 96 putzmunter ist, wäre Charles weit über 70, bis der Thron in Sichtweite käme. Vielleicht, so wünschten sich viele bei der TV-Debatte, könnte man ihn dann zugunsten seines Sohnes William überspringen. Vorerst aber gilt der Satz des Monarchisten James Whitaker: „Herrschen Sie weiter, Majestät!“

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