: Die große Angst vor zu viel Autonomie
■ Neues Schulgesetz: Mehr Basisdemokratie empört CDU und Statt Partei
„Der Streit um das neue Schulgesetz wird allein politisch entschieden“, davon ist Günther Frank, schulpolitischer Sprecher der SPD, überzeugt. Inhaltliche, datenschutz- und verfassungsrechtliche Bedenken von CDU und Statt Partei gegen das Reformwerk von Schulsenatorin Rosi Raab (SPD) verschleierten bloß den wahren Knackpunkt: die Frage der Autonomie an Hamburgs Schulen.
Um die ging es auch auf der Sitzung des Schulausschusses am Donnerstag. Vier Rechtsgutachter hatte die Behörde beauftragt, zu untersuchen, ob das zarte Wagnis von etwas mehr schulischer Selbstbestimmung den Rechtsstaat gefährde. Das Ergebnis: Kann sein, kann nicht sein, ist aber eher unwahrscheinlich. Schulrecht ist Ländersache. Im Zweifel kommt es auf eine Klage in Karlsruhe an, befindet auch die Justizbehörde.
Doch die Rechtsauffassung interessierte ohnehin wenig. Das letzte Wort behält auch im neuen Schulgesetz die Behörde. Die Frage bleibt: Wieviel Kompetenz soll den Schulen politisch zugestanden werden?
Das neue Schulgesetz sieht vor, die Schulkonferenz als „oberstes Beratungs- und Beschlußgremium“ zu stärken. Ihre paritätische Besetzung (je ein Drittel Eltern, Lehrer, Schüler) soll erhalten bleiben. Anders als bisher aber wird die Schulkonferenz nicht bloß über Hausordnung und Tapetenfarbe im Klassenzimmer entscheiden dürfen, sondern auch über Personal- und Sachfragen, Stunden- und Pausenordnung, Unterrichtsangebote oder Einrichtung von Integrationsklassen. Auch die Teilnahme an Zeugniskonferenzen soll Eltern und Schülern bedingt möglich sein.
So viel Basisdemokratie bereitet vor allem der CDU und ihrem treuesten Mitstreiter Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) schlaflose Nächte. Und sie entsetzt auch Ingeborg Knipper von der CDU. Sie will der Schulkonferenz höchstens das Recht einräumen, „Anträge zu stellen“, über die die Schulbehörde befinden soll. Die Gruppe der Statt Partei, immerhin SPD-Regierungspartnerlein, deren Auftritt mit Spannung erwartet wurde, erschien aus „Personalmangel“ erst gar nicht zur Sitzung. Jüngst hatten die fünf Grauen mit erheblichen „verfassungsrechtlichen Einwänden“ gegen das Gesetz gedroht (siehe Interview).
Die GAL würde der SPD in der Bürgerschaft hingegen gern aus ihrer Schulgesetz-Patsche helfen. „Wir werden dem Gesetz in der Bürgerschaft zustimmen“, versicherte gestern der schulpolitische Sprecher der GAL, Kurt Edler. Die inhaltlichen Differenzen zu Lernentwicklungsberichten als Ersatz der bisherigen Zeugnis-Noten, Persönlichkeitsrechten und Datenschutz seien minimal. Auch die Angst vor Bevormundung erschließt sich dem Pädagogen Edler nicht: „Die traurige Praxis zeigt, daß Schulkonferenzen in vielen Stadtteilen gar nicht zustande kommen, weil die Eltern keine Zeit oder kein Interesse an Mitbestimmung haben.“
Spätestens im März soll die Bürgerschaft nun über das Gesetz abstimmen. Daß GAL und SPD dann gemeinsam die Statt Partei-Gruppe überstimmen, gilt als ausgeschlossen. Gesetzesfeind Voscherau, so wird gemunkelt, würde das Gesetz vor der Wahl dann lieber gar nicht mehr zum Votum stellen. Wahrscheinlicher aber ist, daß die Statt Partei vorher klein beigibt.
Heike Haarhoff
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen