: Ein Hauch von Orient über Neukölln
■ Auf dem türkischen Friedhof am Columbiadamm soll die größte deutsche Moschee errichtet werden. Flächennutzungsplan muß geändert werden. Bezirksamt begrüßt den Plan, Bauherren hoffen auf Toleranz
Am Flughafen Tempelhof entsteht ein steinernes Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Der geplante Moscheeneubau auf dem türkischen Friedhof am Columbiadamm verspricht nicht nur, einen Hauch orientalischer Raffinesse in Berlins Architekturlandschaft zu bringen – geplant ist die bislang größte Gebets- und Kulturstätte des Islam in Deutschland: Die beiden Minarette sollen eine Höhe von jeweils 43 Metern erreichen, und damit 11 Meter höher als die bisherige Rekordhalterin, die Mannheimer Moschee sein.
Die Kuppel des Baus, der 400 Gläubigen Platz bietet, soll sich in 27,5 Meter Höhe wölben. Mit dem Projekt wolle man den Ansprüchen der rund 100.000 Berliner Muslime gerecht werden, erklärt die für das Projekt verantwortliche Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB). Zunächst muß jedoch über eine Änderung des Flächennutzungsplans entschieden und die Lärmbelastung durch den islamischen Gebetsrufer, den Muezzin, eingeschätzt werden.
„Es steht dem Bezirk gut an, wenn seine muslimischen Bürger eine richtige Moschee haben“, befürwortet Bodo Manegold (CDU), Bürgermeister von Neukölln, das Bauprojekt. Ängste der Verantwortlichen vor Widerständen gegen die repräsentative Gebetsstätte erwiesen sich bislang als unbegründet. Uneingeschränkt begrüßt wird der Schritt des Islam aus den Hinterhofgebetsräumen, die bisher bestehen, an die Öffentlichkeit auch von Wolfgang Gerbeit, Superintendent des Kichenkreises Neukölln. Der DITIB-Vorsitzende Saban Özbudak hofft daher auf die Toleranz der Berliner: „35 Jahre müßten ausreichen, um Vorurteile beiderseits abzubauen und die eigenen Kulturen zu respektieren.“ Das Geld für den Neubau soll über Spenden aufgebracht werden.
Doch vor dem ersten Gebet fordern die Paragraphen ihren Tribut. Aus gutem Grund: „Wir wollen das planungsrechtliche Verfahren so sauber wie möglich hinbekommen, um eventuellen Klagen gegen das Projekt vorzubeugen“, erklärt Wolfgang Borowski, Leiter des Stadtplanungsamtes in Neukölln, zur Änderung des Flächennutzungsplans. Zwar ist das Friedhofsgrundstück in der Nähe des Flughafens türkisches Hoheitsgebiet – 1866 schenkte der preußische Staat das Gelände dem Osmanischen Reich –, doch gilt auch hier das deutsche Baurecht.
Der Begriff „Raumbedeutsamkeit“ umreißt auf verwaltungsdeutsch das Problem: Es müsse zum Beispiel neue Infrastruktur wie Besucherparkplätze geschaffen werden, übersetzt Chefplaner Borowski. Der Änderungsantrag werde dieser Tage der zuständigen Senatsstelle überbracht, dort geprüft und dann dem Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vorgelegt.
Der Einsatz eines Muezzins wird vom berühmt-berüchtigten Dezibelwert abhängen. Aus anderen Kommunen sind Konflikte aufgrund von Lärmbelästigung nur allzu bekannt. So wurde dem Gebetsrufer der Mannheimer Moschee ein behördlicher Maulkorb verpaßt. Die Wohnbebauung am Columbiadamm hält jedoch 200 Meter Abstand zur Moschee. Saban Özbudak verweist in diesem Zusammenhang auf die Situation in der Türkei, wo es christlichen Kirchen gestattet werde, die Glocken zu läuten. Klemens Vogel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen