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„So spart nicht einmal Duisburg“

■ Sind die Sparziele der Koalition ernst gemeint? Ein Interview mit Dieter Mützelburg (B'90/Grüne)

Ende Januar will der Senat die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 1998, 1999 und 2000 beraten. Die – streng vertrauliche – Parole des Finanzsenators: eine 30prozentige Streichung aller frei verfügbaren Haushaltstitel. Bis Ende Januar sollen alle anderen Senatsressorts sagen, was das bedeuten würde. (vgl. taz v. Samstag) Wir fragten den Sprecher der Finanzdeputation, den Bürger-schaftsabgeordneten Dieter Mützelburg (Bündnis 90/Grüne).

taz: Wieso jetzt plötzlich diese Dimension dramatischer Spar-auflagen? Was ist passiert?

Dieter Mützelburg: Es gibt die politische Vorgabe der Spitzen der großen Koalition, die sich darauf verständigt haben, einen vorzeigbaren Tilgungsbeitrag einzuplanen, koste was es wolle. Bremen will in Bonn behaupten können, daß aus dem normalen Haushalt solche Tilgungsraten in Zukunft herausgeschnitten werden können, 300 Millionen jährlich ab 1998. Ab Sommer 1997 stehen die Nachverhandlungen über die Sanierungshilfe in Bonn an.

Wie drastisch sieht es denn wirklich aus? Zum Beispiel im Sozialhaushalt?

Der Etatansatz wächst nominal, aber nur, weil man davon ausgeht, daß in der derzeitigen Lage die Sozialhilfekosten um jährlich fünf Prozent steigen.

Das sind gesetzliche Leistungen, die das Land nicht verweigern kann...

...und die in Bonn beschlossen werden. Da kann Bremen wenig dran drehen. Es gibt aber einen kleinen Teil des Sozialetats, das sind freiwillige Bremer Leistungen, Zuschüsse an Dienstleistungszentren für ältere Menschen, Jugendfreizeitheime, da muß ca. 30 Prozent gekürzt werden.

Und diese 30 Prozent gelten für alle Senatsressorts?

Ja. Im Sport gibt es nur freiwillige Leistungen, man muß ja nicht Übungsleiter bezahlen, man muß ja nicht 20 Sportstätten in Bremen unterhalten. Quer durch den Haushalt sollen nach diesen Vorgaben die freiwilligen Leistungen drastisch gekürzt werden.

Bisher wurde immer gesagt: Bremen muß die Leistungen abbauen, die über dem Bundesdurchschnitt liegen. Dies sieht jetzt so aus, als würde Bremen deutlich unter das gedrückt, was zwischen Stuhr und München selbstverständlich ist.

Ich glaube, das würde das Ergebnis sein.

In den nächsten Wochen will die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven beschließen, daß das Land den Ocean-Park bauen soll, mit 500 Millionen Zuschuß-Verpflichtungen. Gleichzeitig soll die Hochschule nach Grohn verlagert werden. An solchen Punkten scheint Bremen unendlich viel Geld zu haben.

Das ist natürlich nur virtuelles Geld, das eigentlich nicht da ist. Wenn die Zahlung von 1,8 Milliarden Mark Sanierungshilfe jährlich 1998 ausläuft und es keine neue Sanierungshilfe gibt, dann bricht das Ganze natürlich in sich zusammen und entpuppt sich als gigantisches Programm für neue Schulden.

Werden Alternativen im Finanz- und Haushaltsausschuß diskutiert?

Nein, aber hinter vorgehaltener Hand in der Verwaltung. Es hat in der Verwaltung zum Beispiel Bestrebungen gegeben zu verhindern, daß die Fischereihafenschleuse tatsächlich mit 300 Millionen Mark ins Programm aufgenommen wird. Wir haben aber eine politische Situation, in der klar ist: Es muß etwas für Bremerhaven getan werden. Auf die Kosten wird dabei nicht geachtet, solange die letzten Entscheidungen noch nicht getroffen sind. Es handelt sich derzeit nur um Ankündigungen.

Das bedeutet: Es könnte sich Ende des Jahres herausstellen, daß das ganze teure Spielzeug aus dem Investitions-Sonderprogramm nicht ausgepackt werden kann?

Jedenfalls daß es nicht so bezahlbar ist, wie man sich dachte.

Bekommt die SPD die Kürzungen auf ihrem Parteitag durch?

Das glaube ich nicht, sie wird das aber auch nicht zur Abstimmung stellen, denke ich. Da wird versucht werden, um jedes einzelne konkrete Projekt zu kämpfen. Deshalb glaube ich auch nicht, daß dieses Sparprogramm am Ende von der Bürgerschaft als Haushalt beschlossen wird.

So ernst gemeint ist es letztlich dann doch nicht?

Doch. Es ist von denen, die es vorgelegt haben, ernst gemeint in dem Sinne, daß dem Koalitionsausschuß Druck gemacht wird: Wenn ihr wirklich bis zum Jahr 2000 eine Milliarde Mark ohne Abstriche beim Investitionsprogramm tilgen wollt, dann sind das die Folgen. Intern sagt jeder: Das ist ein Wolkenkukuksheim.

Das hätte Folgen, die sich noch keine Stadt in Deutschland geleistet hat. Auch Duisburg, eine Stadt, die rabiat sparen muß, traut sich solche Maßnahmen nicht zu.

Fragen: K.W.

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