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Beim UN-Tribunal zu Ruanda fliegen die Fetzen

■ Schlamperei und Streit in der Verwaltung lähmt Völkermordprozesse in Arusha. Für den neuen UN-Generalsekretär Kofi Annan ist das eine erste Bewährungsprobe

Nairobi/New York (dpa/rtr) – Ein Skandal am UN-Gerichtshof in der tansanischen Stadt Arusha überschattet die Fortsetzung des ersten internationalen Prozesses über den Völkermord in Ruanda. Nachdem ein interner UN-Bericht über Vorwürfe des schweren Amtsmißbrauchs durch hohe Beamte des Gremiums bekannt wurde, die über ein Budget von mehreren hundert Millionen US- Dollar verfügen, kündigte der neue UN-Generalsekretär Kofi Annan in New York „entschlossene Aktionen“ zur Wiederherstellung der Reputation des Tribunals an. Der interne UN-Bericht, den der deutsche UN-Inspekteur Karl Paschke erstellt hatte, war am Donnerstag durch eine Veröffentlichung in der New York Times bekannt geworden. Am Arusha-Tribunal herrsche Diskriminierung, eine schlechte Verwaltung und Günstlingswirtschaft. Die US-Zeitung beschuldigte nicht direkt die Richter des Tribunals, sondern vielmehr die Verantwortlichen in der Verwaltung. Mitarbeiter des UN-Tribunals berichteten von schweren Zerwürfnissen zwischen europäischen und afrikanischen Angestellten auf höchster Ebene „mit erschreckenden rassistischen Allüren auf beiden Seiten“. Europäer hätten afrikanische Kollegen in Mitteilungen an das UN-Hauptquartier bezichtigt, Verwandten hochbezahlte Jobs in dem UN- Gremium verschafft zu haben, obwohl diese keine Qualifikation dafür hätten. Im Gegenzug seien weiße Bewerber ausgebootet worden. „Die Atmosphäre hier ist vergiftet“, sagte der schwedische UN- Richter Lennart Aspegren vor Journalisten. Eine schlimmere Situation habe er innerhalb der Vereinten Nationen noch nicht erlebt.

Nach Bekanntwerden des Berichts teilte ein Sprecher des UN- Generalsekretärs Kofi Annan mit, man habe den aus Liberia stammenden Chef der Verwaltung des UN-Tribunals, George Anderson, durch den Äthiopier Mohammed Said ersetzt.

Der im November 1994 vom Weltsicherheitsrat eingesetzte Gerichtshof soll die Hauptschuldigen für die Ermordung von mehr als einer halben Million Menschen in Ruanda im Frühjahr 1994 bestrafen. Als erster von bislang 21 vor dem UN-Gerichtshof angeklagten mutmaßlichen Haupttätern muß sich der 43jährige einstige Bürgermeister der ruandischen Gemeinde Taba, Jean-Paul Akayesu, verantworten. Ihm wirft die Anklage vor, die Ermordung von mehr als 2.000 Tutsi durch Milizen und Soldaten des Hutu-Volkes befehligt und in mehreren Fällen selbst gemordet zu haben.

Akayesu, dem eine lebenslange Gefängnisstrafe droht, beantragte am Freitag zum dritten Mal einen Aufschub, weil er einen neuen Rechtsanwalt suchen wolle. Er hat seit Mai vergangenen Jahres bereits drei Anwälte benannt und damit jeweils eine Verzögerung erwirkt. Der Vorsitzende Richter Laity Kama aus Senegal ordnete jedoch die Eröffnung der Zeugenbefragung an. Am Donnerstag schon mußte das Verfahren vertagt werden, da die Zeugen der Anklage nicht aus Ruanda angereist waren. Das in Arusha in Tansania tagende Gericht hatte offenbar vergessen, die nötigen Visa zu beantragen. Parallel zu dem Verfahren in Arusha laufen seit kurzem auch in Ruanda selbst die ersten Prozesse gegen Verantwortliche des Völkermordes.

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