Die rote Bank frißt die schwarze Bank

In Österreich ist der Koalitionskrach über den Verkauf der überwiegend staatlichen Creditanstalt (CA) nach Wochen beigelegt. Der Finanzminister kassiert 2,45 Milliarden Mark  ■ Aus Wien Ralf Leonhard

Österreichs Finanzminister Viktor Klima darf das beste Angebot für die Bundesanteile an der Großbank Creditanstalt (CA) annehmen. Das beschloß nach wochenlangem Ringen der ansonsten recht selten tagende Koalitionsausschuß in der Nacht von Samstag auf Sonntag.

Neun Stunden brauchten die Spitzen der sozialdemokratischen SPÖ und der christdemokratischen ÖVP bei ihrer finalen Sitzung. Dann stand fest: Der Branchenprimus Bank Austria wird die Creditanstalt, die zweitgrößte Bank des Landes, schlucken. 17,2 Milliarden Schilling (rund 2,45 Milliarden Mark) soll die Übernahme kosten. Die beiden anderen Bieter, das schweizerische Generali-Konsortium und der ehemalige Eigentümer der Lebensmittelhandelskette Billa, Karl Wlaschek, hatten ihre unter 15 Milliarden Schilling liegenden Offerten nicht nachgebessert.

Obwohl der Finanzminister durch ein 1991 verabschiedetes Bundesgesetz beauftragt wurde, die CA „so gut wie möglich und so österreichisch wie möglich“ zu privatisieren, wäre über der Frage beinahe die Koalition geplatzt. Denn in Österreich, wo der Parteienproporz nicht nur für die Ernennung von Ministerialbeamten und Botschaftern, sondern auch für Schuldirektoren und Kreditinstitute ausschlaggebend ist, droht durch den Deal das nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute Gleichgewicht zwischen Rot und Schwarz endgültig zusammenzubrechen.

Die 1855 gegründete Creditanstalt, die nach dem Börsenkrach 1929 nur durch die Verstaatlichung vor dem Zusammenbruch bewahrt werden konnte, gilt als „schwarze“ Bank. Die Bank Austria (BA), die selbst erst 1991 durch eine Bankenfusion zum größten Kreditinstitut des Landes aufstieg, liegt dagegen in „roten“ Händen. Mit Anteilen von 40 Prozent ist die Zentralsparkasse der (roten) Gemeinde Wien Hauptaktionärin. Deswegen stieg ÖVP-Fraktionschef Andreas Khol auf die Barrikaden und machte durch ein demonstratives Techtelmechtel mit Jörg Haiders FPÖ deutlich, daß die Sozialisten nicht der einzige vorstellbare Koalitionspartner der Bürger-und-Bauern-Partei seien. Unter Privatisierung verstehe seine Partei nicht die Verschmelzung einer Staatsbank mit der anderen. Der im Koalitionsausschuß ausgehandelte Kompromiß erlaubt dem Polterer Khol und dem bedächtigeren Parteichef Wolfgang Schüssel nun aber einen Rückzieher ohne Gesichtsverlust. Denn Neuwahlen, bei denen Jörg Haider als lachender Dritter dastehen könnte, wollte nun doch keiner riskieren.

Die SPÖ hat sich verpflichtet, „in angemessener Frist“ den Einfluß der Gemeinde Wien bei der BA abzubauen. Auch für Änderungen im Sparkassen- und Bankwesengesetz zeigte sich Bundeskanzler Franz Vranitzky aufgeschlossen. Dabei geht es vor allem um den größeren Schutz von Kleinaktionären und die Streichung der Gemeindehaftung für kommunale Sparkassen.