: Frauen können besser rechnen
Selbstverwaltete Betriebe wollten einst die Wirtschaft verändern. Daraus wurde nichts, zeigt eine Studie. Aber: Frauenbetriebe gehen nie pleite ■ Von Heide Platen
Frankfurt/Main (taz) – Frauen, sagt die Soziologin Beate Hock, sind beständiger. Und: „Alternativbetriebe sind ein etablierter Wirtschaftsfaktor.“ Die heute vorgestellte Studie „Zur Entwicklung selbstverwalteter Betriebe“ in Hessen knüpft an eine Untersuchung an, die der Frankfurter Ökonom und Soziologe Frank Heider vor zehn Jahren vorlegte. „Kokolores“, sagt er zu dem im vergangenen Oktober gemachten Vorschlag des grünen Bundestagsabgeordneten Joschka Fischer. Der wollte die Alternativökonomie wieder stärker propagieren. Heider: „Es gibt keine alternative Ökonomie. Das sind alles ganz normale Betriebe.“
Von den 1986 befragten 244 Unternehmen existieren noch 187. Einige fusionierten oder wurden verkauft, andere teilten sich und erhöhten die Zahl wieder auf 210. „Wirklich pleite“ seien nur 16 Prozent gegangen. Selbstverwaltet sind noch knapp die Hälfte. Die anderen werden heute meist von GesellschafterInnen betrieben: „Der Stellenwert des Eigentums hat deutlich zugenommen“, heißt es in der Studie.
Keine der Firmen war weniger als drei Jahre selbstverwaltet. Änderungen in der Betriebsstruktur hin zu – meist mehreren – Chefs waren selten geplant, sondern lagen oft an den persönlichen Umständen der BetreiberInnen, dem Überdruß an der Selbstausbeutung oder daran, daß es schwer war, bei Bedarf neue Leute in eingefahrene Gruppenstrukturen zu integrieren.
Als dauerhaft haben sich jene Betriebe erwiesen, bei denen ein politischer Anspruch Gruppenidentität stiftet. Dazu gehören vor allem die Frauenbetriebe, von denen kein einziger Konkurs anmelden mußte. Am anderen Ende der Skala stehen exemplarisch die Musikgruppen. Künstlerisch orientiert, konnten sie ihren Gleichklang langfristig nicht wahren: „Die lösen sich auf“, sagt Beate Hock. Alles in allem sei die Selbstverwaltung professioneller und auch gelassener geworden, Plena finden nicht mehr wöchentlich statt. Entschieden wird immer noch überwiegend nach dem Konsensprinzip.
Allerdings macht längst nicht mehr jede alles. Vorlieben und Fähigkeiten bestimmen den Arbeitsalltag der einzelnen. Bei ehemaligen Alternativbetrieben sei das Betriebsklima immer noch offen. Die Gehälter sind branchenüblich, es gibt mehr Teilzeitarbeitsplätze und eine weitgehende Mitbestimmung, Beteiligungen an Gewinn und Verlust hingegen hat Hock bei keinem der Betriebe gefunden. Die Belegschaft ist homogen, eingestellt wird vor allem nach Qualifikation, aber noch immer entscheidet auch die Sympathie mit. Aushilfen allerdings klagen über eine zu hohe Erwartungshaltung und eine zu geringe Bezahlung. Immerhin sind mehr Menschen sozialversichert als noch 1986. Sie arbeiten allerdings in nicht mehr selbstverwalteten Betrieben bei erhöhtem Umsatz mehr, in den selbstverwalteten weniger als früher.
Den höchsten Anspruch an eine politische Firmenethik haben Betriebe im Umweltbereich und Frauenbetriebe. Heider: „Die haben sich nicht verabschiedet, sind aber seltener geworden.“ Qualität statt Quantität sei dort gefragt, sagt Beate Hock. Aber: „Die Mythen sind wichtig zur Aufrechterhaltung der Homogenität.“ Eine umfassende Vernetzung einer Gegenökonomie allerdings habe – erwartungsgemäß – nicht stattgefunden, obwohl es Kooperationen und Absprachen gebe.
Zwei Prognosen seiner Studie von 1986, so Heider, „waren vollkommen falsch“. Zum einen die, daß Betriebe bei einer Steigerung der Vermögenswerte Probleme bekommen würden, Neueinsteiger zu finden. Und zweitens, daß sich im Binnenverhältnis der PartnerInnen ein Verrechtlichungsprozeß entwickeln werde. Da sei „eine Balance gefunden worden“. Neugründungen gebe es auch heute noch. Die aber beziehen sich oft nicht mehr auf eine Tradition der Alternativbetriebe, sondern der Anspruch sei partnerschaftlich. Insgesamt habe sich das „Einsprengsel Alternativbetrieb“ in der Wirtschaft „erfolgreich etabliert“, ohne jedoch „Modellcharakter für die gesamte Wirtschaft beanspruchen zu können“. Alle anderen Prognosen seien „irreführend“ und „realitätsferne Wunschbilder“.
Die Studie erscheint demnächst als Buch: Frank Heider/Beate Hock u.a., „Kontinuität oder Transformation?“, Focus Verlag, Gießen 1997.
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