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Der lange Weg zum Leitwolf

■ Cecil Egwuatu ist eines der größten Basketball-Talente. Morgen soll der 16jährige Rist Wedel zum Sieg gegen Spitzenreiter BC Johanneum führen

Täglich fährt Cecil Egwuatu nach der Schule mit der S-Bahn von St. Pauli nach Wedel und trainiert fünf, sechs Stunden. Allein oder mit dem Team, mit oder ohne Trainer. Der 16jährige ist Aufbauspieler beim Zweitligisten Rist Wedel und gilt als eines der größten Talente im deutschen Basketball. „In dem Alter war auf seiner Position noch keiner so weit“, sagt Trainer Michael Zimmer.

„Seine Ballbehandlung ist phänomenal gut“, lobt der Coach die technischen Fähigkeiten des Spielmachers der Junioren-Nationalauswahl. Das Spielgerät sei für das „Bewegungstalent“ kein Fremdkörper. Zudem ist er ein sehr sicherer Werfer. Und mit seiner enormen Sprungkraft macht er die für einen Basketballer geringe Körpergröße von 1,81 Meter spielend wett.

Egwuatus Stärken liegen im Angriff. Das weiß auch der Sohn eines Nigerianers und einer Deutschen: „An meiner Defense muß ich noch arbeiten.“ Er muß körperbetonter spielen, auch um sich bei den Gegenspielern Respekt zu verschaffen. Das ist nicht so einfach für den Heranwachsenden: Manche seiner Kontrahenten überragen ihn um Kopflänge, sind doppelt so alt und entsprechend abgebrühter.

In seinem Zimmer hängt ein Poster von NBA-Superstar Michael Jordan. Ein Vorbild, „weil er alles kann“. Er dagegen sei „als Spieler noch nicht fertig“ und müsse noch manches lernen. Darum würde er am liebsten den ganzen Tag lang Basketball spielen – wenn da nicht die Schule wäre.

„Er darf nur mitspielen, wenn er in der Schule gut ist“, erklärt der 35jährige Zimmer die Regelung, die der Trainer mit der Mutter des Gymnasiasten getroffen hat. Die Schularbeiten verrichtet Egwuatu, um das machen zu können, was ihm am meisten bedeutet. „Ich freue mich immer auf Basketball.“ Viermal die Woche ist Training, aber Egwuatu „treibt sich nach Schulschluß immer in der Halle rum“, hat Zimmer bemerkt. Für alterstypische Vorlieben wie Kino- oder Discobesuche nimmt sich der bald 17jährige wenig Zeit.

Vor zweieinhalb Jahren wechselte er vom Eimsbütteler TV nach Wedel. Seit vergangenem Sommer ist Egwuatu, der noch für die B-Jugend spielberechtigt ist, Aufbauspieler in der Liga-Mannschaft. Die Anforderungen an einen Akteur auf der zentralen Position sind hoch: Er braucht eine überdurchschnittliche Technik, den Blick für die Mitspieler, soll die taktischen Anweisungen des Trainers umsetzen. Und er muß laut und dominant sein können – „eine Führungspersönlichkeit“, wie Zimmer verlangt.

Doch wie kann ein 16jähriger zum Leitwolf unter lauter Älteren werden? „Durch Erfahrung“, meint Zimmer. Also läßt er das Ausnahmetalent häufig spielen und überträgt ihm so eine Menge Verantwortung, zumal Wedel unten in der Tabelle steht und vermutlich in der Abstiegsrunde spielen muß. Laut und dominant zu sein, kostet den Milchbart noch Überwindung. Aber Egwuatu ist sicher, die ihm zugedachte Rolle ausfüllen zu können. „Ich bin mittlerweile im Team voll anerkannt.“

Vergangenen November, im Heimspiel gegen Oldenburg, nahm Zimmer Egwuatu frühzeitig vom Feld – wegen undisziplinierten Spiels. „Ich habe ihn zusammengefaltet, weil ich sehe, was für ein Potential er hat und was er daraus macht.“ Gerne hat der Anwalt die Strafe nicht verhängt, aber trotzdem hält er die Wechselbehandlung mit Lob und Tadel für angebracht. Viele Talente, die das Zeug zum Nationalspieler hatten, seien gescheitert, weil sie den Blick für die Realität verloren. Der Youngster zeigt sich einsichtig: „Der Trainer hält mich auf dem Boden.“

Anlässe abzuheben gibt es genug. Erstligist Oberelchingen versuchte Egwuatu vor Saisonbeginn mit einem lukrativen Vertrag zu ködern. Und das, obwohl Egwuatu damals noch keine Minute in der zweiten Liga gespielt hatte. Egwuatu blieb in Wedel, dort, wo mehr der Zusammenhalt zählt und nicht die schnelle Mark.

Obwohl sich der Teenager ein „gerüttelt Maß Kindlichkeit bewahrt hat“, wie Zimmer sagt, weiß Egwuatu genau, was er will: Kommenden Sommer an einem US-College sein Spiel perfektionieren; in zwei, drei Jahren in der ersten Liga werfen; Fernziel ist die deutsche Nationalmannschaft. Davor stehen noch viele Übungseinheiten. Die Sporttasche ist jederzeit gepackt. Rainer Schäfer

Rist – BCJ, morgen um 20 Uhr, Sporthalle Am Steinberg (frühzeitig kommen, kaum noch Karten)

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