Zwei „Macher“ auf dünnem Eis

■ Vor 1.000 Studenten stritten sich Wolfgang Clement (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) über die Zeit nach Kohl

Bochum (taz) – „Kohl muß weg!“ Diese von der linken Bochumer Studentenliste „TuWas!“ tausendfach auf Plakaten und Flugblättern verbreitete Parole einte am späten Mittwochnachmittag alle im größten Hörsaal der Bochumer Ruhruniversiät. Entsprechend stürmisch fiel der Beifall der gut 1.000 anwesenden StudentInnen aus, als die Asta-Vorsitzende Sonja Riedemann die Vorstellung der Kontrahenten mit der Hoffnung verband, daß „beide endlich den Willen und die Kraft finden, diese Koalition sturmreif zu schießen“, um den Weg für „eine reformorientierte Republik“ freizumachen.

Daß dieser Weg noch durch zahlreiche Hindernisse versperrt wird, wurde schon Minuten später deutlich. Kaum daß der Düsseldorfer SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement seine Vorstellungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dargelegt hatte, da ging der bündnisgrüne Bonner Fraktionssprecher Joschka Fischer seinen potentiellen Koalitionspartner schon frontal an: „Man kann Kohl nicht wegbekommen, wenn man ihn kopiert“, hielt Fischer Clement vor. Dessen Widerstand gegen eine Ökosteuer sei fatal. Für den erforderlichen ökologischen Umbau der Gesellschaft komme der Ökosteuer eine zentrale Bedeutung zu, die man deshalb zunächst auch im nationalen Alleingang einführen müsse. Von Clement kam dazu ein klares „Nein!“. Der Grundgedanke, die Energie zu verteuern und die Arbeit zu entlasten, sei „zwar richtig“, aber die Umsetzung im „nationalen Rahmen ist nicht möglich“. Bei isolierter Einführung der Steuer seien Hunterttausende von Arbeitsplätzen bedroht.

Während das Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI Clements Argumentation in einem Gutachten stützt, kommt eine Untersuchung des Berliner DIW zu genau gegenteiligen Ergebnissen. Inzwischen hat die grüne Bundestagsfraktion ein Modell ausgearbeitet, das darauf hinausläuft, die durch die Ökosteuer besonders gefährdeten energieintensiven Unternehmen zunächst von einer gravierenden Belastung auszunehmen. Damit, so Fischer, seien die von Clement beschworenen beschäftigungspolitischen Verwerfungen zu umgehen. Doch Clement bleibt bei seinem Kurs: So wie die Grünen den Weg skizziert hätten, sei er „nicht begehbar und nicht durchsetzbar“.

Immer wenn die beiden – Fischer über Clement: „Ein echter Konservativer, den es in die SPD verschlagen hat“ – ins Detail gehen, bleibt von der rot-grünen Gemeinsamkeit nicht viel übrig. Auffällig ist, daß Clement beim jungen Publikum im Saal mit seiner Argumentation im Verlauf der Diskussion Boden gutmacht. Selbst seine Ankündigung, für NRW sei der von den Grünen heftig bekämpfte Ausbau des Düsseldorfer Flughafen „unverzichtbar“, wird von vielen beklatscht.

Unversöhnlich hart prallen die Positionen auch beim Thema Garzweiler II aufeinander. Wenn die SPD hier von ihrem Kurs abweiche und „eine falsche Entscheidung“ treffe, „bedeutet das den Verlust der Industriearbeiterschaft“ für seine Partei. Das gehe an die „Substanz“, und deshalb dürfe die SPD hier nicht wackeln. Wenn Clement dabei bleibe, erwidert Fischer sichtlich erregt, „dann müssen wir es lassen“. Auch für die Grünen gehe es bei der Frage um die Substanz und deshalb müsse „ein Kompromiß her, oder es geht nicht“.

Ein Zeichen für einen Kompromiß kam von Clement nicht. Er fürchtet einen massiven Vertrauensverlust, weit über die betroffene Region hinaus. Ein Wechsel in Bonn sei aber nur möglich, wenn große Teile der Wählerschaft der SPD „Wirtschaftskompetenz“ zutrauten. Noch stehe die Opposition aber bei den Menschen nicht in dem Ruf, es besser machen zu können als die jetzige Regierung.

Die studentischen Initiatoren des Bochumer Streitgesprächs wollten die „wichtigen Protagonisten“ aus beiden Lagern zusammenbringen, um einen „Anstoß für eine ernsthafte Verständigungsdebatte im reformpolitischen Lager“ zu geben. Wie dringend notwendig diese Debatte ist, wurde in Bochum überdeutlich. Bleibt es bei der am Mittwoch sichtbar gewordenen großen Ratlosigkeit im rot-grünen Lager, müßte Kohl sich vor der Wahl im nächsten Jahr wohl nicht besonders fürchten. Walter Jakobs