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Ins Ungewisse abgeschoben

■ Die abgeschobene zwölfjährige Vietnamesin Ha Phuong Nguyen ist bei Fremden in Hanoi gelandet. Die Behörden hatten in Vietnam niemanden informiert

Die Abschiebung einer zwölfjährigen Vietnamesin in der vergangenen Woche wird jetzt von PädagogInnen scharf kritisiert. Nach Auffassung der Reinickendorfer GEW stellt die Abschiebung von Ha Phuong Nguyen „einen bisher einmaligen Verstoß gegen Menschen- und Kinderschutzrechte dar“. Die Praxis, ein Kind morgens um 6 Uhr unvorbereitet aus dem Kinderheim abzuholen – Ha konnte nicht einmal ihre Sachen packen –, mache „ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen zu Handlangern der Ausländerbehörde“. Dem Protest der KollegInnen schloß sich der Landesverband der GEW an.

Besonders skandalös sei es, daß entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen und entgegen anderslautenden offiziellen Erklärungen der Behörden der Empfang des Mädchens im Herkunftsland nicht vorbereitet wurde. Die Ausländerbehörde hatte erklärt, die kindgemäße Obhut sei „mit der Übernahme durch die deutsche Botschaft in Hanoi, die sie an ihre Großeltern übergeben wird, gewährleistet“. Eine Erzieherin im Reinickendorfer Heim „Jugendwohnen am Steinberg“, in dem das Mädchen zuletzt wohnte, berichtet, ihr habe eine Botschaftsmitarbeiterin erklärt, es gebe keine Kontakte zu den Großeltern. Man habe nur die vietnamesischen Behörden informiert.

Aber nach taz-Recherchen hat die vietnamesische Botschaft in Deutschland von der Abschiebung des Kindes erst aus den Medien erfahren. Sprecher Nguyen Than Nam: „Hätte man uns rechtzeitig informiert, hätten wir der Zwölfjährigen unterwegs eine erwachsene Begleitperson zur Seite stellen müssen.“ Daß Ha schließlich auf dem 30 Kilometer von der Stadt Hanoi entfernten ehemaligen Militärflughafen doch nicht mutterseelenallein stand, verdankt sie der Berliner Erzieherin. Die hatte eine Tante des Mädchens in Schweinfurt von der Abschiebung informiert. Die Tante telefonierte mit einer Schulfreundin in Hanoi, die Ha vom Flughafen abholte.

Nach Auskunft des deutschen Botschafters Christian Kraemer gegenüber der Berliner Morgenpost habe die Familie Has das Mädchen inzwischen zu den Großeltern in die Hafenstadt Hai Phong gebracht. Die Reinickendorfer GEW-KollegInnen aber wissen das Gegenteil. Erst Donnerstag hatte eine Kollegin mit Ha telefoniert – und zwar nicht in Hai Phong, sondern in Hanoi, wo sie sich bei Fremden mittellos durchschlägt. Ha selbst hatte ihnen gesagt, zu den Großeltern nicht zurückzukönnen. Die Pädagoginnen sorgen sich um das Mädchen, das in den anderthalb Jahren in Deutschland europäisch geprägt wurde. Marina Mai

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