: „Es fehlt an Fröhlichkeit“
■ Der Rockmusikerverband fordert per Unterschriftensammlung mehr deutsches Liedgut im Radio
Wenn der Rundfunk nicht mitzieht, brauchen Musiker keine Tourneen mehr machen, klagt Ole Seelenmeyer, Sprecher des Deutschen Rock-und Popmusikerverbandes in Lüneburg, dem nach eigenen Angaben 5.000 MusikerInnen angehören. Wohl und Wehe einer Band hingen „originär davon ab, ob der Rundfunk einen Song bringt oder nicht“. Der Vorwurf des Verbandes an die öffentlich-rechtlichen wie an die privaten Radiosender: Sie spielten bis zu 95 Prozent Musik angloamerikanischer Herkunft; die einheimischen Rock- und Popmusiker – auch wenn sie englische Texte bringen – blieben außen vor. Ausweg: die Quote. Nach französischem Vorbild, wo mindestens 40 Prozent des Musikprogrammes für französische KünstlerInnen reserviert sein muß.
Anfang Februar werden Landesmedienanstalten, öffentlich-rechtliche und private Radiostationen eine „Deklaration“ in ihrem Faxgerät vorfinden, unterschrieben von knapp 500 MusikerInnen von Rang und Namen: Von Udo Lindenberg bis Udo Jürgens, von Konstantin Wecker bis zu den „Puhdys“, von „Such A surge“ bis zu den „Fantastischen Vier“ – alle fordern einen „bedeutsameren Platz in den Sendeprogrammen“, eine „Medienaufsichtsbehörde“ und eben jene 40 Prozent einheimische Klänge – unabhängig davon, ob in Deutsch oder einer Fremdsprache gesungen wird. Seelenmeyer: „Deutsche Rock- und Popmusiker werden diskriminiert, weil sie in deutscher Sprache singen und nicht in das Schema der Produktstrategie der Sender passen.“
Ihren „Kulturauftrag“, den das Bundesverfassungsgericht 1994 noch einmal bestätigt habe, würden die Sender „raffiniert umgehen“, so der Verbandssprecher. Der Kulturauftrag, über den die Landesmedienanstalten bzw. der Rundfunkrat wachen, sieht Meinungsvielfalt im Programm vor: Bildung, Beratung, Information und Unterhaltung heißen die vier Säulen, die im Programm hörbar werden sollen.
40 Prozent Einheimisches? Das überschreiten wir locker, sagt Peter-Wolfgang Fischer, Musikchef von Radio Bremen 1 und 3. Schließlich spiele Radio Bremen 3, eine Welle im MOR (Middle Of the Road-Format, anschmiegsame Melodien) 95 Prozent Deutsches. Und die Hansawelle (im Adult contemporary-Format, mainstream-lastig) tatsächlich 90 Prozent internationale Songs. Doch daß es dem Rockmusikerverband, allen voran Heinz-Rudolf Kunze, der sich unlängst im Spiegel lauthals für mehr deutschsprachige Rockmusik eingesetzt hat, nicht um einheimische Volksmusik geht, weiß Fischer auch. Daß er im Popmusikbereich nicht mehr einheimische Kost spiele, liege an den kompositorischen Mängeln der deutschen Bands, denen es oft „an Fröhlichkeit fehlt“. Außerdem seien die Deutschen teilweise noch immer simplen Rockstrukturen aus den 70er und 80er Jahren verhaftet – und die passen nicht in die Musikfarbe, den „groove“ der Welle.
Damit gibt sich Ole Seelenmeyer nicht zufrieden: 30-40 Prozent aller verkauften Tonträger stammten von einheimischen Bands oder InterpretInnen, doch in den Playcharts, der Abfolge der Musiktitel im Programm, spiegele sich das nur verzerrt wider: Nur zehn Prozent (öffentlich-rechtliche) bzw. fünf Prozent (private) der Songs im Programm seien deutschsprachig.
Geht es nach dem Rockmusikerverband, müßten den Privatradios, die „zuviel Schrott“ veröffentlichen, die Sendelizenz kurzerhand wieder entzogen werden. Seelenmeyer sieht es dramatisch: „Durch viele kleine Leo Kirchs geht unsere Demokratie baden.“
Die Landesmedienanstalt Bremen hat sich mit dem Thema Quote nur insoweit befaßt, so Pressesprecherin Jutta Klepper, als die Lizenzvergabe an den Musiksender „Viva 2“ verbunden war mit der Offerte des Senders, auch mal Konzerte bremischer Bands zu übertragen. Bei dem Privatsender „107.1“ und dessen nur 3,5stündigem Programm sieht man den Anspruch, Einheimisches zu spielen, nicht so eng. Klepper: „Die haben halt ihre Musikfarbe und Zielgruppe.“
Hat denn der Vorstoß Ole Seelenmeyers, „Querulant Nr. 1“, wie er sich selber nennt, schon irgendwelche Erfolge gezeitigt? Bloß das Jugendradio „Fritz“ aus Berlin habe sich gemeldet: „Wir machen eh längst schon alles, wie ihr wollt.“ Immerhin: Seelenmeyer erinnert sich noch an die Fachtagung, die er '95 in Lüneburg auf die Beine gestellt hat. Damals sei Heinz-Rudolf Kunze plötzlich aufgesprungen: „Hiermit beantrage ich die Quotierung!“ Alexander Musik
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