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Gedenken auf Kosten der Opfer

■ Senat will Besucherprogramm für Berliner Juden kürzen

Der Senat ist auf dem besten Wege, erneut ins Fettnäpfchen zu treten. Durch Mittelkürzungen am Besucherprogramm für ehemalige Berliner Juden sollen Restaurierungsarbeiten an der Gedenkstätte Auschwitz finanziert werden. Als „völlig unakzeptable Aufrechnung“ bezeichnete Michaele Schreyer, finanzpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, das gestern vom Haushaltsausschuß abgesegnete Vorhaben.

Zwei Fauxpas hatte sich der Senat erst kürzlich geleistet: Die für dieses Jahr fest eingeplanten Mittel für den Erweiterungsbau des Berlin Museums zum Jüdischen Museum waren von 20 auf 12,4 Millionen zusammengestrichen worden. Und Anfang der Woche hatte Parlamentspräsident Herwig Haase (CDU) anläßlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus dazu aufgerufen, auch die „Opfer zu ehren, die Täter waren“ – eine „beispiellose Vermischung von Opfern und Tätern“, wie SPD und Bündnisgrüne urteilten.

Geht es nach dem Willen der Großen Koalition, soll nun auch am Besucherprogramm für ehemalige Berliner Juden der Rotstift angesetzt werden. Die eingesparten 19.900 Mark sollen den Restaurierungsarbeiten der Gedenkstätte Auschwitz zugute kommen. Das Land Berlin hatte sich dazu verpflichtet, den Ausbau der Jugendbegegnungsstätte Auschwitz finanziell zu unterstützen. Erst im Dezember war die genaue Summe bekanntgeworden: 19.900 Mark. Da der Betrag im Haushaltsentwurf fehlte, soll er nun aus dem Besucherprogramm-Topf genommen werden. Michaele Schreyer: „Das Ganze ist eine peinliche Aufrechnung. Die Überlebenden des Holocaust werden dadurch erneut brüskiert.“ Die Mittel für das Besucherprogramm waren bereits von 2,4 Millionen Mark (1995) auf 2 Millionen Mark (1996) und dann noch einmal auf 1,5 Millionen Mark (1997) gekürzt worden.

Als „haushaltstechnische Verrechnung“ verteidigte Hans-Peter Seitz, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, die geplante Mittelkürzung. Da bereits der Etat 1996 nicht ausgeschöpft worden sei, habe die Überlegung nahegelegen, aufgrund der angespannten Haushaltssituation des Senats einen geringen Betrag von diesem Programm abzuzweigen. Jens Rübsam

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