: Ferien vom Berufsalltag
Zum Sprachkurs nach Nizza: Es muß nicht die rein berufliche Fortbildung sein, wenn es um das Recht auf Bildungsurlaub geht ■ Von Jörg Walser
Die „Kulturmetropole Berlin“ eine Woche lang vor Ort kennenlernen, sich fünf Tage mit „Deutscher Kabarett-Geschichte“ beschäftigen oder sich „als Frau behaupten“ lernen? In Sydney Englischkenntnisse aufbessern, französische Lebensart in Nizza schnuppern oder doch eher zum Spanischkurs nach Gran Canaria fliegen?
Wer heraus will aus dem beruflichen Alltagstrott, wer sich weiterbilden möchte in einem Bereich, der nicht unbedingt was mit der täglichen Arbeitsroutine zu tun hat, kann Bildungsurlaub nehmen. Zehn Tage innerhalb von zwei Jahren stehen gesetzlich jedem Arbeitnehmer zu, der an einer der rund 100.000 offiziell anerkannten Veranstaltungen teilnehmen will.
„Leute, die politische Bildungsangebote wahrnehmen, erfahren kritische Ansätze und sind danach kreativer bei der Arbeit“, hält Klaus Schepe von der Hamburger Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung denjenigen entgegen, die den Bildungsurlaub am liebsten auf die rein berufliche Weiterbildung begrenzt sehen würden. Er betont darüber hinaus die gesellschaftliche Bedeutung der politischen Erwachsenenbildung. Und die Lernerfolge der Angebote seien „durch komprimiertes Lernen absolut günstig“: 30 Stunden in einer Woche – der abendliche Volkshochschulkurs braucht da ein ganzes Semester.
Viele Arbeitgeber, weiß Schepe, hätten die Veranstaltungen durchaus akzeptiert. „Sie haben erkannt, daß er ihnen durchweg auch Nutzen bringt.“ Denn Bildungsurlauber qualifizieren sich weiter – auf eigene Kosten. Die Kursgebühren – vom politischen Bildungsangebot für 150 Mark die Woche bis hin zum technischen Spezialkurs für mehrere hundert Mark pro Tag – müssen die Teilnehmer selbst übernehmen.
Ob die Architektin eine Fortbildung im Bau von Niedrigenergiehäusern bucht oder lieber Spanisch in Mexiko lernt, ist allein ihre Sache. Einzige Voraussetzung: Das Angebot muß offiziell anerkannt sein. „Da prüfen wir sehr genau“, sagt Schepe. Auch den Zeitpunkt bestimmt der Kursteilnehmer selbst, er muß ihn aber mindestens sechs Wochen vorher seinem Arbeitgeber mitteilen. Der kann ablehnen – allerdings nur, wenn es im Betrieb eng zu werden droht, weil etwa gleichzeitig Kollegen schon Urlaub angemeldet haben.
Sind die zehn Tage Bildungsurlaub innerhalb von zwei Jahren nicht ausgeschöpft, können sie in den darauffolgenden zwei Jahren noch genutzt werden, dann aber lediglich zur beruflichen Weiterbildung. Beim Arbeitgeber vor dem Ablauf der Zweijahresfrist angezeigt werden muß das in Hamburg nicht. Den Zeitpunkt bestimmen diesmal jedoch Arbeitnehmer und -geber gemeinsam.
Im Prinzip können auch Arbeitslose Bildungsurlaub nehmen. Sie müssen jedoch auf einen einsichtsvollen Arbeitsvermittler hoffen, denn letztlich entscheidet der. Verweigert der Arbeitsamtsbetreuer die zusätzlichen Urlaubstage, können Bildungshungrige immer noch einen Kurs in Hamburg besuchen, um vermittelbar zu bleiben. Arbeitslose können eine Ermäßigung der Kursgebühren beantragen, viele Veranstaltungen sind für sie kostenlos.
Auf amtliche Einsicht sind auch diejenigen angewiesen, die die Kursgebühren steuerlich absetzen wollen. Da, sagt Schepe, „kommt es dann sehr auf eine enge inhaltliche Verbindung des Kurses mit der Arbeit an“. Bei Kursen im Ausland wird immer nur ein Teil der Gebühren erstattet, die Unterkunftskosten zahlt der Teilnehmer grundsätzlich selbst.
Die meisten in Hamburg anerkannten Bildungsurlaubsangebote listet die Broschüre „Früchte des Wissens“ auf, erhältlich in allen Öffentlichen Bücherhallen.
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