: „Den Körper wieder zu spüren“
■ Das Neueste im Aerobic-Studio: Body Awareness, natürlich made in USA
Der Mann mit dem Kinnbart wirkt schlaksig und fast ein wenig unbeholfen. Doch als die Musik aus der Anlage mit ihren treibenden beats einsetzt, strafft sich sein Körper. Federnd geht er, mit Basketball-Kappe, USA-Trikot und weiter Trainingshose zum Aufknöpfen, eine imaginäre Linie entlang. Der Tänzer dreht sich blitzschnell um seine eigene Achse und noch einmal entgegengesetzt. Erst nach einem beidbeinigen Sprung nach vorne kommt er zum stehen und klatscht krachend in die Hände.
Body awareness – oder auf Deutsch: Körperbewußtsein – ist die Mission des Aerobic-Lehrers Nic Farmer. Seine SchülerInnen stehen mit ihm vor einer verspiegelten Wand im Gym in der Weidestraße und versuchen, es ihm nachzutun. Werktags sitzen sie im Büro, wie die 26jährige Juristin Sandra, „da meldet sich der eigene Körper nur dann, wenn er 'mal krank ist“, erzählt sie, aus allen Poren schwitzend, nach der Stunde.
Farmer kennt die erzwungene Bewegungsarmut seiner KundInnen: „Sie sollen lernen, ihren Körper wieder zu spüren“. Der USA-Aerobic-Champion von 1994 weiter: „Ist das gelungen, können die SchülerInnen lernen, sich durch die Bewegungen auszudrücken.“ Dabei ist Lockerheit alles. Wer ständig den Trainer anstarrt, erstarrt.
Zur Zeit lebt der Aerobic-Trainer in Stockholm und ist alle zwei Monate zu Gast in der Barmbeker Fitneßschmiede. Mit dem Hausfrauen-Aerobic, das Jane Fonda und Sydne Rome zu Beginn der 80iger Jahre propagierten, hat Farmers Übungsstunde wenig gemein: Der in der Olympiastadt Atlanta gebürtige Anleiter unterrichtet Funky Step Aerobic.
Diese Variante des Gehopses zur Musik begann vor rund acht Jahren in die Fitneßstudios in den USA „einzusickern“, berichtet Farmer. Auslöser waren Musikvideos. In einigen Stücken von Janet Jackson etwa bekam das Mittelschichtpublikum der Studios Tanzschritte zu sehen, die es unbedingt auch einmal selbst probieren wollte. Heute ist Funky Step in den USA zwar noch nicht in jedem Studio vertreten, doch immer noch auf dem aufsteigenden Ast. Vor fünf Jahren setzte Funky Step zwangsläufig dann auch zum Sprung nach Europa an. Denn die Musikvideos gehören ja auch auf dem alten Kontinent zum Pflichtprogramm aller Zehn- bis Dreißigjährigen.
Der 32jährige Farmer arbeitete schon 1989 als Aerobic-Trainer und wurde von dem beeinflußt, was er auf der Straße und in den Clubs an Bewegung wahrnahm. So wird funky step auch schlicht hip-hop oder jam genannt. Auf die Herkunft von der Straße deuten auch die sneakers hin, die teuren Sportschuhe, die die Füße sämtlicher Hip-Hopper in den Musikvideos zieren. Bei der Funky-Step-Aerobic ist die street credibility des Schuhwerks jedoch zweitrangig, „denn man braucht gute Schuhe, um seine Füße zu schützen“, erklärt Farmer.
Den Schwierigkeitsgrad seiner Stunden bezeichnet Farmer als „relativ hoch“. Farmer weiß allerdings auch, „daß einige der Bewegungen die auf der Straße getanzt werden, die Schüler überfordern würden.“
Noch ein gutes hat funky step: Mit den frisch erlernten Schrittfolgen werden aus verschämten Barhockern und Luftgitarrespielern endlich Zierden einer jeden Tanzfläche. Matthias Greulich
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