Kommentar (siehe S. 23): Schönes Wischiwaschi
■ Neue Glocke in vordergründigem Glanz
Manche lernt man bekanntlich erst richtig schätzen, wenn sie nicht da sind. Das gilt zwischenmenschlich, mitunter aber auch für Dingliches. Denn wer die staunenden, die Räume erkundenden und schwärmerischen Menschen gesehen hat, die am Wochenende nach fast einem Jahr sanierungsbedingter Schließung ihre „neue“ alte Glocke wieder betreten haben, konnte gar kein anderes Fazit ziehen – es sei denn, man schwärmte, staunte und durchmaß selbst.
Doch ein buchstäblich großes Ereignis wie die Wiedereröffnung eines der schönsten und vor allem akustisch besten Konzerthäuser der Republik kann nicht ohne falsche Töne über die Bühne gehen. Dissonant tönte das Mißgeschick, ausgerechnet am gestrigen „Tag der offenen Tür“ ein Konzert zu veranstalten und den Neugierigen stundenlang die Besichtigung des großen Saales zu verwehren. Viel schriller war dagegen das Bekenntnis-Wischiwaschi zum Festakt aus dem Munde des Bürgermeisters Henning Scherf (SPD).
Bei einer Abstimmung über die Bedeutung der Kultur würde der Senat sich ohne Gegenstimme für die Kultur aussprechen, erklärte er dem Auditorium. Denn die Kultur sei überaus wichtig für das Oberzentrum Bremen und die Sanierung und so fort. Doch tatsächlich liegen Sparpläne auf dem Tisch, tatsächlich muß die Kammerphilharmonie um die Verlängerung ihres Vertrages bangen und so weiter.
Christoph Köster
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