: „Junge Freiheit“ vor dem Aus?
Gegen den Geschäftsführer der rechten Zeitung wird wegen Konkursverschleppung ermittelt. Ehemaliger Mitstreiter stellte Strafanzeige ■ Aus Berlin Severin Weiland
Der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit geht es schlecht. Ausgabe für Ausgabe wird die Sympathisantenschar über den Tanz am Abgrund informiert. Zuletzt meldete das Blatt 2.404 neue Abonnenten, seitdem im August vorigen Jahres eine verzweifelte Rettungskampagne gestartet worden war. Ob die Kampagne JF- Chefredakteur und Geschäftsführer Dieter Stein letzten Endes helfen wird, steht in den Sternen. Denn die Nerven des 29jährigen werden zur Zeit durch ein Ermittlungsverfahren wegen „Konkursverschleppung“ strapaziert.
Hintergrund ist eine Strafanzeige des ehemaligen zweiten JF- Geschäftsführers Götz Meidinger, die kürzlich bei der Staatsanwaltschaft Berlin einging. „Wir haben ein Aktenzeichen angelegt, es laufen Vorermittlungen“, bestätigt der Berliner Justizsprecher Rüdiger Reiff. Mittlerweile ist das Aktenzeichen aus formalen Gründen an die Amtskollegen in Potsdam abgegeben worden. Dort ist der Verlag „Junge Freiheit GmbH und Co.“ sowie die von Stein geführte „Junge Freiheit Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH“ im Handelsregister eingetragen. Die Strafanzeige ist der bisherige Höhepunkt in einer Schlammschlacht der rechten Szene um das 1986 von Studenten gegründete Blatt.
Meidinger gilt als schärfster Gegner Steins, seitdem dieser ihn im September 1994 nach einem internen Machtkampf durch die Gesellschafterversammlung des Verlags abberufen und ausschließen ließ. In den Augen der JF- Mehrheit war Meidinger ein Hindernis auf dem Weg der Zeitung zur „rechten Mitte“.
Stein hatte seinem langjährigen Mitstreiter vorgehalten, die JF zum „rechten Ghettoblatt“ zu machen. Nach dessen erzwungenem Abgang hatte Stein seinen Gesellschafteranteil in der „Junge Freiheit Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH“ zwar sukzessive von 27 Prozent auf jetzt 71 Prozent aufstocken können. Trotz aller Bemühungen, das bürgerliche rechte Lager zu erreichen, blieb der Erfolg aber aus.
Offiziell wird eine Druckauflage von 70.000 Exemplaren angegeben, doch wie viele Exemplare wirklich an die Abonnenten geliefert und an den Kiosken verkauft werden, gehört zum bestgehütetsten Betriebsgeheimnis der JF. Nach Schätzungen dürften aber höchstens 20.000 Exemplare abgesetzt werden. Am 28. August vergangenen Jahres mußte die JF schließlich einräumen, daß der Verlag eine Unterdeckung von 450.000 Mark hatte – lächerlich wenig für große Zeitungen, aber zu viel für die kränkelnde und kapitalschwache JF, die sich zudem durch Boykottaktionen von Kiosken in die Enge getrieben sieht.
Um den Bestand der Zeitung zu sichern, sollten bis Ende Dezember 2.500 Abonnenten dazugewonnen werden. Die Leser wurden zur Umwandlung ihres normalen Abonnements in ein 60 Mark teureres Förderabonnement aufgerufen. Doch die Kampagne lief nicht so, wie es sich die JF-Macher in ihrer Berliner Redaktion erhofft hatten. Zwar konnten Spenden, neue Leser und auch weitere Kommanditanteile in Höhe von 50.000 Mark gewonnen werden. Ende Dezember blieb aber eine Deckungslücke von 150.000 Mark. Zerknirscht mußte Stein den Lesern mitteilen: „Die JF ist noch nicht über den Berg.“
Dererlei dramatische Aufrufe setzten Meidinger offenbar flugs in Bewegung. Am 3. Januar erging bei der Staatsanwaltschaft Berlin unter dem Aktenzeichen 5 Wi Js 12/97 Strafanzeige wegen Konkursverschleppung. Zwar unterliege die Kommanditgesellschaft „Junge Freiheit Verlag GmbH und Co.“ keiner „strafbewehrten Konkursantragspflicht“, heißt es dort. Doch könne, so argumentiert Meidinger, die Überschuldung einer Kommanditgesellschaft auf die Komplementärin – in diesem Falle die Beteiligungs- und Verwertungsgesellschaft mit ihrem Geschäftsführer Stein – „durchschlagen“.
Zur selben Zeit kursierte in der rechten Szene ein anonymes Fax, in dem das Aktenzeichen bekanntgegeben und alle „aufrechten Deutschen“ davor gewarnt wurden, sich mit Stein „in irgendeiner Weise gemein zu machen“. Stein selbst will von einer Untergangsstimmung nichts wissen. Die Abozahlen stiegen, der Verlag sei seit August aus dem Schlimmsten heraus. Die Strafanzeige, sagt Stein, sei nur eine „Retourkutsche“ Meidingers.
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