Der Konflikt ist endlich ausgelatscht

■ Die Arbeiter von Birkenstock einigen sich mit ihrem Chef nach vier Jahren der Diffamierung und Aussperrung

Beim Sandalenhersteller Birkenstock ist der vierjährige verbitterte Streit um gewerkschaftliche Mitspracherechte mit einem Kompromiß beendet worden. Wie erst gestern bekannt wurde, haben die letzten 81 MitarbeiterInnen eines Birkenstock-Werkes in Sankt Katharinen bei Linz in der vergangenen Woche der Schließung zum 31. Januar zugestimmt. Dafür wurde nach Betriebsratsangaben ein Sozialplan im Umfang von 1,8 Millionen Mark ausgearbeitet. Die gekündigten MitarbeiterInnen bekommen zwischen 10.000 bis 50.000 Mark pro Kopf. Die Gewerkschaft Holz und Kunststoff erhielt die Zusage, in den anderen Birkenstock-Betrieben mit rund 2.000 MitarbeiterInnen aktiv werden zu dürfen. „Künftig wollen wir miteinander gut umgehen“, sagte Gewerkschaftssekretär Wolfgang Conrad. Die Birkenstock-Geschäftsführung war zu keiner Stellungnahme bereit. Es solle aber eine gemeinsame Pressekonferenz mit Betriebsrat und Gewerkschaft geben.

Die jetzige Einigung sei erst zustande gekommen, nachdem ein Vermittler eingeschaltet wurde, so Conrad und die Betriebsratsvorsitzende Marion Rahm. Beide vermuten, daß wirtschaftlicher Druck die Geschäftsleitung kompromißfähig gemacht habe. Auch soll Firmenpatriarch Karl Birkenstock sich aus den Verhandlungen herausgehalten haben. Sie seien von seinem Sohn Alex geführt worden. Früher war Birkenstock an einer Vermittlung nicht interessiert gewesen und hatte Forderungen nach einem Sozialplan zurückgewiesen. Beide Seiten befehdeten sich auch vor verschiedenen Gerichten. Die Klagen sollen nun zurückgezogen werden.

Der Ende Januar geschlossene Betrieb war einst als „Birko- Schuhtechnik GmbH“ mit 800 MitarbeiterInnen das größte Werk im Birkenstock-Unternehmen. Als die Birko-MitarbeiterInnen vor vier Jahren erstmalig in der 200jährigen Firmengeschichte einen Betriebsrat wählten, kam es zum Konflikt. Die Forderungen der Arbeitnehmervertretung nach vorschriftsmäßigen Erste-Hilfe- Kästen, Ruhebänken und Sonnenschutzeinrichtungen hatte Karl Birkenstock als „Betriebschließungsprogramm“ bezeichnet. Der Firmenpatriarch war es nicht gewohnt, daß andere mitreden. Er drohte mit Entlassungen, setzte MitarbeiterInnen unter Druck und spaltete so die Belegschaft. Dann baute er die Zahl der Beschäftigten bei Birko systematisch ab. Die MitarbeiterInnen drängte Birkenstock in gewerkschaftsfreie Neugründungen mit Namen wie „Happy Schuh“.

Die letzten betriebsratstreuen 160 ArbeiterInnen, von denen rund die Hälfte im Schwangerschafts- oder Erziehungsurlaub war, wehrten sich jedoch auch dann noch, als der erste Betriebsrat genervt aufgegeben hatte. Sie hatten Angst vor der Schließung und wählten einen neuen Betriebsrat. Ohne ihn wären sie nie zu einem Sozialplan gekommen.

Als Birkenstock den Betrieb zum April 1995 schließen wollte, gingen die MitarbeiterInnen am Stammsitz in Bad Honnef bei Bonn auf die Straße. Im letzten Moment schreckte Birkenstock vor den Kosten des Sozialplans zurück, für den der Betriebsrat 2,8 Millionen Mark gefordert hatte.

Birkenstock hoffte, daß er die betriebsratstreuen MitarbeiterInnen ohne Sozialplan los wird. Um sie zu zermürben, trennte er sie räumlich von den anderen und verbannte sie in zwei leere Lagerhallen. Dort bekamen sie kaum noch Arbeit und wurden schikaniert. Mal funktionierte die Heizung nicht, mal war es viel zu heiß, dann war die Tür versperrt. Birko wurde in „DeP“ umbenannten, die ArbeiterInnen als „Deppen“ diffamiert. Birkenstock ließ mehrere 100 Beschäftigte vor den DeP-Hallen demonstrieren. Während er die Demonstranten kostenlos bewirtete, bekamen die DeP-MitarbeiterInnen für diesen Tag Urlaubssperre. Birkenstock entstanden jeden Monat Verluste von über 100.000 Mark. Sven Hansen