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Die Familie ist die Sozialversicherung

■ Spanien lebt seit vielen Jahren mit weitaus höheren Arbeitslosenzahlen

„Nur nicht den Mut verlieren.“ Das sei das Wichtigste in seiner Situation, sagt Manuel (30). Als er sein Soziologiestudium an der Madrider Universität Complutense, der prestigeträchtigsten Spaniens, beendete, war sich Manuel sicher: „Die Welt steht mir offen.“ Sechs Jahre sind seither vergangen, eine feste Arbeit hat er noch immer keine. „Ich wohne nach wie vor zu Hause. Doch was soll ich tun, Arbeitslosengeld steht mir keines zu, die Familie ist somit die einzige Sozialversicherung.“

Dabei gehören seine Eltern selbst zu den Opfern der spanischen Wirtschaftskrise. Im gleichen Jahr, als Manuel stolz seinen Universitätstitel nach Hause brachte, wurde der Vater entlassen: Vorruhestand, mit knapp über 1.000 Mark im Monat. Mit einem arbeitslosen Sohn reicht dies hinten und vorne nicht. Ein Hausmeisterjob für den Vater und eine Putzstelle für die Mutter halten die Familie über Wasser.

Manuel hat alles mögliche versucht: ein England-Aufenthalt, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern; ein einjähriger, nicht ganz billiger Unikurs über Marktforschung; Weiterbildung am Computer. Nur nutzen will es nicht. „Das einzige, was ich in meinem Berufsleben bisher erreicht habe, war ein zweimonatiger Honorarvertrag für eine Gewerkschaftsstudie – über den Wandel des Arbeitsmarktes“, grinst er.

Zusätzlich zu den paar Mark, die ihm seine Eltern zustecken, verdient er ein wenig mit Englisch- Nachhilfestunden an Nachbarskinder. „Wenn ich ab und zu aufs Arbeitsamt gehe, lachen die nur: ,überqualifiziert‘ nennen die Leute wie mich. Und wenn dann tatsächlich mal zwei Stellen für Soziologen zu vergeben sind, schickt die Behörde 400 Bewerber auf einmal“, sagt Manuel.

Auf 400.000 wird in Spanien die Zahl derer geschätzt, die mit ihrem Hochschulabschluß verzweifelt einen ersten Arbeitsplatz suchen. 3.514.000 Menschen, 21,9 Prozent, sind insgesamt ohne Arbeit – eine Million Haushalte sind komplett arbeitslos, so die Ergebnisse der periodisch stattfindenden Befragung der Erwerbsbevölkerung (EPA). Und das nicht erst seit neuem: Spanien lebt seit Jahren mit einer weitaus höheren Arbeitslosenquote als Deutschland.

Am härtesten trifft es die Jugendlichen. Zwei Drittel aller unter 25jährigen sind ohne festes Einkommen. Ein sogenannter Anlernvertrag, den noch die Regierung des Sozialisten Felipe González einführte, sollte diesem Mißstand abhelfen. Der Lohn beläuft sich auf weniger als die Hälfte des Normalverdienstes. Arbeitslosenversichert werden diese Jungarbeiter nicht. „Die billigen Jugendlichen sind an meiner Situation schuld, die verdrängen die erwachsenen, teureren Arbeiter“, beklagt sich Pepe (40), Kellner, arbeitslos. Zwar findet er immer wieder einen Job, doch feste Verträge mit Sozialversicherung werden immer seltener.

Dauerarbeitsloser, Saisonarbeiter – Pepe kann selbst nicht genau sagen, was er nun eigentlich ist. Wie er sich und seine Familie, Frau und zwei Kinder im Schulalter, dennoch über Wasser hält? „Durch Schwarzarbeit jeder Art“, gesteht er. Pepe bewegt sich immer knapper an der Grenze zu jener Bevölkerungsgruppe, die endgültig in die Schattenwirtschaft abgerutscht ist.

Francisco (60) hat sie überschritten. Vor vier Jahren, zu Beginn der großen Krise im Baugewerbe, verlor der gelernte Maler seine letzte feste Stelle. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ist abgelaufen. Er bezieht nur noch 500 Mark monatlich als Überbrückungsgeld für die drei Jahre, die ihm bis zur Rente fehlen. „Einstellen will mich alten Knochen sowieso keiner mehr“, sagt Francisco. Reiner Wandler, Madrid

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