: Kinkel forscht weiter nach Faradsch Sarkuhi
■ Minister informiert EU-Kollegen. Dubiose Pressekonferenz in Teheran
Bonn/Teheran (AFP) – Die Bundesregierung will sich weiter „intensiv“ für den inhaftierten regimekritischen iranischen Schriftsteller Faradsch Sarkuhi einsetzen. Das betonte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag in Bonn. Außenminister Kinkel habe am Morgen den niederländischen Außenminister Hans van Mierlo und damit die EU-Präsidentschaft über den jüngsten Stand informiert.
Zu den Bonner Bemühungen verwies der Sprecher auf den Briefwechsel Kinkels mit seinem iranischen Amtskollegen Welajati sowie „eine Kette von Demarchen“ der deutschen Botschaft in Teheran sowie des Auswärtigen Amts bei der iranischen Vertretung in Bonn. Der 49jährige Sarkuhi ist laut Teheran beim angeblichen Versuch, das Land illegal zu verlassen, verhaftet worden. Ihm soll der Prozeß gemacht werden.
Der Sprecher des Auwärtigen Amts wies erneut den Vorwurf der iranischen Seite zurück, sich im Fall Sarkuhi in innere Angelegenheiten des Irans einzumischen. Der Schriftsteller ist nach eigenen Angaben Opfer eines Komplotts und in der Gefangenschaft gefoltert worden.
Die Verhaftung Sarkuhis vor wenigen Tagen sei „schlicht eine nationale Frage und rechtfertigt nicht die Einmischung irgendeiner Regierung“, hatte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Machmud Mohammadi, am Vortag in Teheran nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Irna erklärt.
Er wies insbesondere Äußerungen des Bonner Außenamtssprechers Martin Erdmann zurück, der die iranische Seite am Dienstag aufgefordert hatte, „Licht in die Angelegenheit“ zu bringen. Es sei „nicht auszuschließen“, daß Iran mit Sarkuhi „eine Verbindung zum Berliner ,Mykonos‘-Prozeß“ herstellen wolle, hatte Erdmann betont.
Im „Mykonos“-Prozeß um die Ermordung von vier kurdischen Oppositionellen in Berlin 1992 hatten die Bundesanwälte den iranischen Geheimdienst als Drahtzieher bezeichnet und damit für eine erhebliche Abkühlung der deutsch-iranischen Beziehungen gesorgt.
Mohammadi sagte laut Irna, der Fall Sarkuhi „steht nicht im Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen Iran und Deutschland“.
Sarkuhi, der auch Chefredakteur der Literaturzeitschrift Adineh ist, hatte in einem von der taz veröffentlichten Brief betont, er sei im November und Dezember vergangenen Jahres festgehalten und auch gefoltert worden. Nach seiner zwischenzeitlichen Freilassung sei er gezwungen worden zu behaupten, er sei in der fraglichen Zeit in Deutschland gewesen. Der iranische Geheimdienst stricke an einem Komplott, um Deutschland wegen des „Mykonos“-Prozesses etwas entgegenzusetzen. Sarkuhi gehört zu den 134 Unterzeichnern eines Appells iranischer Intellektueller vom Oktober 1994, in dem größere Meinungsfreiheit gefordert wurde.
Am Donnerstag hatte sich in Teheran ein Mann in einer eilig einberufenen Pressekonferenz als Bruder Sarkuhis, Ismail, vorgestellt und behauptet, der Schriftsteller sei 1996 tatsächlich nach Deutschland gereist. Auch bestätigte er den Vorwurf, daß der 49jährige den Iran habe verlassen wollen. Er bat Revolutionsführer Ali Chamenei, „seinem Bruder zu vergeben“.
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