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Kohl sägt an Prodis Olivenbaum

■ Krach in Italien: PDS-Chef D'Alema kommt seinem Regierungschef in Bonn zuvor und kungelt mit Kohl

Rom/Bonn (taz) – Schon wieder ein Fauxpas: Nur einen Tag bevor der italienische Ministerpräsident Romano Prodi dem deutschen Bundeskanzler seine Aufwartung machte, empfing Helmut Kohl den Chef der italienischen Linksdemokraten (PDS), Massimo D'Alema. In der italienischen Öffentlichkeit sprach man von einem Eklat.

Die italienische Regierung sieht schwierigen Zeiten entgegen. Nachdem sich die Administration Prodi die ganze Woche über mit den von der Financial Times gestreuten Gerüchten um einen Ausschluß Italiens aus der ersten Runde der Europäischen Währungsunion herumplagen mußte, sorgte der D'Alema-Besuch in Bonn für großen Wirbel: Der Chef der Mehrheitsfraktion in der Mitte-links-Koalition Olivenbaum soll dem Deutschen auseinandergesetzt haben, um was es den Italienern in den kommenden Jahren geht – quasi ein Spezial-Briefing für den Kanzler, mithin ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, gerade 24 Stunden bevor der Regierungschef mit seiner Delegation – fünf Minister begleiten ihn – selbst zur Staatsvisite anreiste.

Italiens Rechts-Opposition, die seit Monaten in internen Kämpfen zerstritten ist, sieht nach langer Zeit wieder eine Möglichkeit, die Regierung vorzuführen: „Wahrscheinlich hat D'Alema bei Kohl eine Art Bürgschaft für Prodi hinterlegt, weil dem keiner traut“, frozzelte der Führer der Nationalen Allianz, Gianfranco Fini. Silvio Berlusconi, Chef von Forza Italia, der sich mit D'Alema gut versteht, verweigerte jeden Kommentar – bis auf den Spruch: „Was soll ich sagen, meine politische Kultur ist eine andere.“ Selbst regierungsnahe Politiker sehen D'Alemas Blitzvisite als „schweren Fehler, für den wir sehr bald bezahlen werden“, so der ehemalige Chef der industrienahen Republikanischen Partei, Giorgio La Malfa. Und die Neokommunisten, die die Regierung von außen unterstützen, fanden gar, der Regierungschef hätte sich nun seine aufwendige Reise wohl sparen können.

Ministerpräsident Prodi hat sich zu alledem überhaupt nicht geäußert und lediglich verbreiten lassen, der Besuch sei mit ihm abgestimmt gewesen. Begründung für just diesen Termin: Weil sowohl Kohl als auch D'Alema sehr viel zu tun haben, hätte es sonst wieder Monate gedauert, bis sie hätten zusammenkommen können. Darüber allerdings lacht nun die ganze Nation.

Als Prodi dann gestern Kohl traf, übten sich ein ungewöhnlich gut gelaunter deutscher Bundeskanzler und sein Gast aus Rom in Gesten demonstrativer Herzlichkeit: Die Visite von Ministerpräsident Romano Prodi in Bonn finde „im Geist herzlicher Freundschaft“ statt, erklärte Helmut Kohl und lobte das „mutige Wirtschaftsprogramm“ der italienischen Regierung. Die Beziehungen seien „außergewöhnlich gut“, fügte artig der Besucher hinzu.

Berichten über Meinungsverschiedenheiten zwischen Bonn und Rom wegen der Aufnahme Italiens in die Europäische Währungsunion traten beide entschieden entgegen. Es gebe Verträge und Abkommen, erklärte Prodi: „Das ist der Maßstab, der angelegt wird, wenn man uns in Zukunft beurteilen wird.“ Kohl bezeichnete es als „absolut inakzeptabel“, wenn jetzt „dieser oder jener Noten verteilt“.

Ob es nicht denkbar sei, daß Deutschland vielleicht die Aufnahmekriterien nicht erfüllen werde, wurde der Kanzler gefragt. Er rechne angesichts der Aktivitäten der Regierung „fest“ mit einer „Entwicklung zum Besseren“, antwortete Kohl. Werner Raith, Bettina Gaus

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