: Verschanzt in Villen
Noch ein sozialer Brennpunkt erhebt sich: Die CDU fordert mehr Sicherheit, Sauberkeit und Parkplätze in Blankenese ■ Von Heike Haarhoff
Es geht um unser Blankenese. Denn Blankenese kippt. Unbemerkt von einer Öffentlichkeit, der sich vor lauter voll besetzten Hafenkrankenhäusern und siechenden Brauereien der Blick für die wahren sozialen Probleme dieser Stadt verschließt, verelendet der vergessene Ortsteil im Hamburger Westen zusehends. Eine „dramatische Zunahme“ von „Nöten und Ärgernissen über Sicherheit, Sauberkeit, Verkehrs- und Parksituation“ beklagt der CDU-Ortsverein – und bricht damit erstmals das jahrelange Tabu des Schweigens.
Aus Angst vor Hundekot in den spärlichen Grünanlagen am Elbhang, unberechenbar wuchernden Grashalmen in gepflasterten Torauffahrten, Graffitis an Wänden sowie den Horrormeldungen über flüchtige Känguruhs hatten sich die verunsicherten Menschen bislang klaglos in ihren Villen verschanzt. Jetzt aber ist die Schmerzgrenze erreicht. Ein Stadtteil erhebt sich: Am 6. März werden die Gebeutelten im Gymnasium Kirschtenstraße (19 Uhr) ihrem Unmut Luft machen und nach Informationen der taz den CDU-Spitzenkandidaten Ole von Beust zum Leib- und Nachtwächter von Blankenese wählen. Im Vorfeld hat die CDU einen zweiseitigen, anonymen Fragenkatalog „an alle Haushalte mit Tagespost“ verteilt, der die drängendsten sozialen Probleme ermitteln soll. Die taz beauftragte ihrerseits ein unabhängiges Gutachterteam, das die Lage vor Ort bereits heute in Wort und Bild dokumentiert.
„Das erste, was uns auffällt“, heißt es in dem Bericht, „sind die fehlenden Namensschilder an den Türklingeln.“ Das erkläre die menschen- und autoleeren Straßen. Denn: Wie soll man wissen, ob man hier seinen Jaguar parken kann? Lauern nicht osteuropäische Autodiebe in den schmucken Häusern? „Fühlen Sie sich tagsüber sicher?“ – die CDU-Frage hat durchaus Berechtigung.
Auch die Fragen „Sollten die Tempo-30-Zonen reduziert werden?“ und „Fühlen Sie sich durch verkehrsberuhigende Maßnahmen schikaniert?“ müssen eindeutig bejaht werden. Fluchtwege gehören nicht geschwindigkeitsbegrenzt. Auch sind diese beschissenen Verkehrspoller wie am Baurs Park einfach unästhetisch. Die taz-Gutachter fordern Marmor statt Elbkiesel.
Not fördert kommunikative Aspekte: „Die Anwohner“ haben eine Mahntafel am Baurs Weg unterzeichnet, auf der es heißt: „Wollen Sie, daß hier eine Müllkippe entsteht?“ Dagegen interessiert die CDU: „Gäbe es einen kostenlosen Bus-Shuttle-Service – würden Sie beim Einkaufen auf Ihr Auto verzichten?“ Klare Antwort: Nein, weil Busse nicht auf dem Fußweg parken dürfen. Ebensowenig wird selbstverständlich nicht „genügend gegen die Drogenprobleme an unseren Schulen getan“. Jedenfalls so lange nicht, so die taz-Experten, wie „Saure frei“ auf bedenklichen Valentinstagspartys ausgeschenkt werden. Es besteht kein Zweifel: Blankenese ist ein heißes Pflaster. „Fühlen Sie sich durch die Asylunterkünfte direkt oder indirekt verunsichert?“, begehrt die CDU noch zu wissen. Die Gutachter schließen dies kategorisch aus. Als viel problematischer erscheint ihnen das vermehrte Erscheinen fremdländisch aussehender Menschen in umserem Blankeneser Straßenbild, die unbeweglich dastehen und „Antik“ fordern.
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