: Polnische Kirche prüft Popieluszkos Seligsprechung
■ Der politisch engagierte Priester wurde 1994 von Sicherheitskräften ermordet
Warschau (taz) – Jerzy Popieluszko war ein ungewöhnlicher Priester. Er engagierte sich für politische Gefangene in der Zeit des Kriegsrechts in Polen nach dem 13. Dezember 1981, hielt politische „Messen für das Vaterland“ und war sowohl der katholischen Hierarchie als auch dem Innenministerium ein Dorn im Auge. Im Oktober 1984 ermordeten ihn Funktionäre des polnischen Sicherheitsdienstes. Schon einen Tag nachdem seine Leiche im Kofferraum eines Autos gefunden wurde, das die Polizei aus einem Fluß barg, verwandelte sich seine Kirche im Warschauer Stadtteil Zoliborz in eine Pilgerstätte. Nun will die Kirche ihn heiligsprechen.
Doch zu der Messe, mit der der Primas der katholischen Kirche, Kardinal Jozef Glemp, das Verfahren zur „Feststellung des Märtyrertums“ des damals 35jährigen eröffnete, kamen nur 700 Gläubige. Ganz anders zu Lebzeiten des Priesters. Da zählten die Predigten des charismatischen Seelsorgers zu den besonderen Ereignissen in Warschau, zu denen Tausende Polen aus dem ganzen Land anreisten. Die Predigten mußtem mit Lautsprecher ins Freie übertragen werden. Kirche und Vorgarten verwandelten sich in einen Tempel der Opposition: Flaggen, Standarten der verschiedenen verbotenen Organisationen, Madonnenbilder, Kreuze und Kerzen für die politischen Gefangenen und Toten.
Damals wiegelte die Kurie ab. Sie wollte als Vermittler zwischen den Fronten stehen: Die mutigeren Priester verweigerten den Gehorsam und stellten sich eindeutig auf die Seite der verfolgten Mitglieder der Untergrundgewerkschaft Solidarność. Primas Glemps Verhältnis zu Popieluszko war ein außerordentlich gespanntes. Sein Kommentar zum Tod des Kirchenmannes fiel distanziert und kühl aus: „Diejenigen, die Pater Popieluszko manipulierten, waren keine Männer der Kirche. Sie machten ihn zum Kaplan oppositioneller Gruppen, denen er sich verbunden fühlte. Er war ein Opfer im wahrsten Sinne des Wortes.“ In der jetzigen Samstagspredigt des Primas hörte sich das ganz anders an: „Popieluszko hat den Tod gewählt, um Christus treu zu bleiben.“
In einem „Beatifizierungsprozeß“ muß nun eine von Primas Glemp ernannte Kommission prüfen, ob der in Aussicht genommene Kandidat die Voraussetzungen für eine Seligsprechung erfüllt. Sollte dies der Fall sein – die Vorbereitungen laufen bereits seit knapp fünf Jahren, und auch der am Samstag begonnene offizielle „Prozeß“ wird noch einmal mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen –, kann der polnische Primas die Heiligsprechung des Priesters beim Vatikan beantragen. Gabriele Lesser
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