: Neue Lehren aus dem Fall Al Capone
■ Mit dem Steuerrecht will die SPD die Organisierte Kriminalität bekämpfen. Jedem Täter seinen Steuerfahnder
Berlin (taz) – Der Fall Al Capone hat offensichtlich Pate gestanden. Jahr um Jahr hatte der legendäre Mafiosi in den dreißiger Jahren fleißig Dollars gescheffelt. Ohnmächtig sahen Polizei und Staatsanwaltschaft zu, denn sie konnten dem großen Gauner keine strafbaren Handlungen nachweisen. Erst ein Umweg brachte die Fahnder ans Ziel: Sie ermittelten wegen Steuerhinterziehung, und sie wurden fündig. Al Capone wanderte für lange Zeit in den Knast.
Sechzig Jahre danach will nun die Bonner Sozialdemokratie das Chicagoer Erfolgsrezept kopieren. Es soll sogar gesetzlich verankert werden.
Damals wie heute ist der Ansatzpunkt eigentlich recht einfach, denn Steuern muß jede und jeder zahlen. Auch Gewinne aus „nachhaltig betriebener verbotener Tätigkeit (zum Beispiel Rauschgifthandel oder illegaler Waffenhandel) sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb“. Darauf verweisen ausdrücklich der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jürgen Meyer, und der wissenschaftliche Fraktionsmitarbeiter Wolfgang Hetzer. Im Steuerrecht gibt es keine verbotenen Tätigkeiten.
Jürgen Meyer und Wolfgang Hetzer legten jetzt gemeinsam einen Diskussionsentwurf vor, der die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz und den Finanzbehörden neu regeln und „insbesondere auf steuer- und abgabenrechtlicher Grundlage wirkungsvolle Alternativen zur bisherigen desolaten Lage“ bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität (OK) schaffen soll.
Den Finanzbehörden ist nicht nur aufgetragen, Steuern festzusetzen. Sie haben auch dafür Sorge zu tragen, daß diese nicht „verkürzt“ werden. Der einzelne Steuerpflichtige ist verpflichtet, im Bemessungsverfahren mitzuwirken. Er muß „die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen“. Sind die Angaben nicht ausreichend, oder verweigert ein Steuerpflichtiger solche Auskünfte – dann schätzt das Finanzamt die Steuerschuld, und das großzügig, versteht sich.
Als „Achillesferse“ des organisierten Verbrechens wird allgemein der Schnittpunkt beschrieben, an dem illegal erworbene Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf eingespeist und damit „gewaschen“ werden. Ein Gesetz zum Verbot der Geldwäsche trat zwar schon Ende 1993 in Kraft, es wird von allen Praktikern aber – wie die gesetzlichen Bestimmungen zum Verfall illegal erworbenen Vermögens – als weitgehend unwirksam beschrieben.
Die Praktiker dürften nun bei Meyer und Hetzer auf ihre Kosten kommen. Deren Vorschlag: Wenn es Hinweise darauf gibt, daß ein bestimmtes Vermögen „möglicherweise aus schweren Straftaten oder aus Taten, die der Organisierten kriminalität zuzurechnen sind, herrührt oder dafür verwendet werden soll“, dann soll die Polizei künftig dieses Vermögen für kurze Zeit beschlagnahmen dürfen. Im nächsten Schritt unterrichtet die Polizei so schnell wie möglich die Strafverfolgungs- und Finanzbehörden. Deren Aufgabe ist es dann, für „eine weitere und dauerhafte Behandlung des Sicherstellungsgutes zum Zwecke der Strafverfolgung als auch der Besteuerung“ zu sorgen.
Künftig soll damit möglich werden, was in den Niederlanden schon praktiziert wird: Stellt die Polizei bei einem vermuteten Rauschgiftstraftäter Geld fest, so wird dieses beschlagnahmt. Kann die Polizei den Verdacht nicht erhärten, müßte sie eigentlich das Geld zurückgeben. Zunächst aber informieren die Beamten die Steuerbehörde. Liegen dort keine Erklärungen des Verdächtigen vor, erläßt diese einen Steuerbescheid und beschlagnahmt nun ihrerseits das Geld. Der Verdächtige bekommt also nichts zurück.
Die Vorschläge der beiden Rechtsexperten haben bereits Eingang gefunden in ein Papier der SPD-Bundestagsfraktion mit dem Titel „Eckpunkte für ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“. Gefordert wird darin unter anderem „ein verbessertes Informationssystem zur steuerlichen Erfassung von Einkünften und Vermögen ungeklärter Herkunft sowie verbesserte Zugriffsmöglichkeiten auf Vermögen, das mutmaßlich zum Ausgleich von Steuerschulden heranzuziehen ist“.
Mit der Aufnahme dieser Passage haben Meyer und Hetzer der SPD elegant aus einer Klemme geholfen. Bisher hatten die Sozialdemokraten immer gefordert, zur Sicherstellung illegal erworbenen Vermögens die Beweislast umzukehren. Das hätte zur Folge gehabt, daß jeder Beschuldigte den legalen Erwerb seines Vermögens hätte nachweisen müssen. Kritiker hatten dies wiederholt als groben Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Unschuldsvermutung gerügt. Nicht so beim Finanzamt. Meyer: „Im Besteuerungsverfahren müssen Sie und ich sagen, woher wir unser Vermögen haben.“ Al Capone erging es nicht anders. Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen