: Die Strohfrau ihres Herrn
Catherine Mégret kann lächeln, Hände schütteln, ihrem Mann danken und pöbeln. Ein Porträt der Front-National-Bürgermeisterin von Vitrolles ■ Von Dorothea Hahn
Kaum war sie zur Bürgermeisterin gewählt – und das mit triumphalen 52 Prozent –, verschwand Catherine Mégret von der Bildfläche. Am Morgen danach zog ihr – nicht gewählter – Gatte Bruno an der Spitze einer 20köpfigen Männerriege in das nunmehr rechtsextrem beherrschte Rathaus von Vitrolles ein. „Sie muß sich ausruhen“, sagte er.
Zuvor hatte Catherine Mégret für die Front National Kampagne gemacht. Lächelnd und stets ein paar Schritt hinter ihrem Gatten war die 37jährige Pariserin, die dunkelblonden Haare in einer braven Pony-plus-Zopf-Frisur, wochenlang durch die trostlose südfranzösische Provinzstadt gezogen. Interviewwünsche lehnte sie ab. Die Kandidatin beschränkte sich aufs Händeschütteln auf der Straße – freilich ohne je ihre Stoffhandschuhe auszuziehen – und auf spontane Ausbrüche. Antirassistischen Demonstranten streckte sie die Zunge heraus, eine Sozialistin beschimpfte sie als „Blondine, die ihre Rasse verrät“, und zum Thema Arbeitslosigkeit sagte sie: „Es muß Ungleichheiten geben. Wir brauchen Reiche, damit sie den Armen Arbeit geben.“
Bei der letzten großen Wahlversammlung der Front National in Vitrolles zog Catherine Mégret, angetan mit schwarzer Jacke und rotem Rock, kußhandwerfend in die Stadthalle ein. Ihre Rede las sie Wort für Wort vom Blatt ab. Sie hat eine Stimme wie ein Schulmädchen. Als die „Altparteien“ drankamen, spitzte sie den Mund, um den Namen des Kommunistenchefs Hue – ausgesprochen Üüü – zu zischen. Bei Sozialistenchef Jospin zog sie die Namensendung – ausgesprochen eng – so hoch, daß sich ihre Stimme fast überschlug. Als sie die „Pariser Presse“ beschimpfte, beschrieb sie ungelenk einen großen Kreis mit beiden Armen.
Die 2.000 ZuhörerInnen in der Stadthalle, meist längst entschlossene Front-National-WählerInnen, spendeten nach jedem zweiten Satz höflich Beifall. Tosend wurde das Klatschen erst, als Gatte Bruno, dem das passive Wahlrecht wegen Überziehung des letzten Wahlkampfetats für ein Jahr entzogen worden war, ans Mikrofon ging und eine Kampfrede hielt. Er ist Absolvent der Eliteschule Polytechnique und der Universität von Harvard, Europaabgeordneter und der Chefideologe derPartei.
Catherine Mégret ist eine Strohfrau. Sie hat sich aufstellen lassen, um ihren Gatten zu unterstützen. Weitergehende Absichten hat sie ausdrücklich nicht. „Ich will keine Politikerin werden“, versicherte sie in einer Hochglanzbroschüre, die die Front National während des Wahlkampfs in der südfranzösischen Provinzstadt Vitrolles verteilte. Auf dem Titelbild ist das Paar Mégret gemeinsam – er rechts vorne, sie links hinter ihm – abgebildet. Auf den folgenden Seiten findet sich das Konterfei der Kandidatin dreimal; ihr Gatte hingegen ist achtmal abgelichtet.
Die Front National ist eine Männerpartei. Mehr noch als alle anderen französischen Parteien. 1972 wurde sie von ehemaligen Kollaborateuren, Algerienkriegern, katholischen Integristen und Antisemiten gegründet. Frauen, so verkündet sie, sollen zurück an Heim und Herd. Ihr Programm postuliert Mutterlöhne für Kinderreiche, Familienstimmrecht im Verhältnis zur Kinderzahl, Verbot der Abtreibung und die Aufwertung der Familie. Freilich nur der französischen. Die Familien der Immigranten sollen nicht einmal Sozialleistungen bekommen.
Politik sei Männersache, erklärt Parteiführer Jean-Marie Le Pen: „Frauen fühlen sich nicht so in den politischen Kampf hineingezogen.“ Doch Mangel an Frauen kennt die Front National nicht. Sie glänzen vor allem in der Rolle der Ehefrau und Witwe. In dem rechtsextrem regierten Stadt Toulon wurde Bürgermeistergattin Cedrine Le Chevallier die Stadträtin für Kinder und Jugend. Im ebenfalls rechtsextrem regierten Orange spielte Gattin Marie- Claude Bompard eine entscheidende Rolle im Wahlkampf. Und in der normannischen Kleinstadt Dreux verfehlte die Witwe Marie- France Stirbois, die nach dem tödlichen Autounfall ihres Gatten die Staffel übernahm, im vergangenen Herbst nur knapp die Wahl zur Bürgermeisterin.
Wenn es darauf ankommt, sind die Frauen der Front National zur Stelle. Nicht nur an der Seite ihrer Männer. Im Wahlkampf von Vitrolles zeigte auch Exschauspielerin Brigitte Bardot Flagge. „Ihr Mut gefällt mir“, schrieb sie in einem öffentlichen Brief an Catherine Mégret, „mit Ihnen werden Sauberkeit, Anstand und Ehrlichkeit wieder die drei Zitzen der Stadt.“
Die Kandidatin Mégret, die sich selbst als „Werbechefin und Mutter“ vorstellt, dankte der Bardot mit dem mädchenhaften Lachen, das sie die gesamte Kampagne über gezeigt hatte. Kaum war sie am Sonntag abend gewählt, ging sie an ein Mikrofon und bedankte sich bei ihrem Gatten. „Das Verdienst gehört ihm“, sagte die neue Bürgermeisterin, bevor sie von der Bildfläche verschwand.
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