■ Iran: Das Blutgeld für Salman Rushdies Tod wurde erhöht
: Reden statt Boykottieren

So es im iranischen Regime überhaupt jemals den Kampf zweier Linien gegeben hat, haben die Hardliner in den letzten Tagen einen wichtigen Sieg errungen. 500.000 Dollar mehr Blutgeld für jeden, der Salman Rushdie ermordet – das ist ein weltweit nicht zu übersehendes Signal, mit dem vor allem die Länder sich auseinandersetzen müssen, die nach wie vor für einen Dialog mit dem Iran eintreten. Seit die EU sich auf ihrem Gipfel in Edinburgh für den kritischen Dialog mit Teheran entschied, war die Aufhebung des Mordbefehls gegen Rusdhie eines der wichtigsten Dialogziele. Immer wieder hat der deutsche Außenminister damit argumentiert, die Fatwa sei zwar formal nicht aufgehoben (das sei aus theologischen Gründen auch gar nicht möglich), aber faktisch vom Regime doch zu den Akten gelegt worden. Am besten, man redet nicht mehr darüber, dann könnten die Mullahs die Geschichte am einfachsten dem Vergessen anheim geben.

Das war vor ungefähr einem Jahr die Position der Optimisten, seitdem geht es im Verhältnis zum iranischen Regime nur noch bergab. Die iranischen Drohungen rund um den Mykonos-Prozeß, die Verfolgung Faradsch Sarkuhis zur Denunziation der deutschen Iranpolitik, die Erwartung einer neuerlichen Krise bei Verkündung des Mykonos-Urteils, all das machte den Umgang mit den Theokraten in Teheran bereits zum Drahtseilakt. Die jetzige Verkündung der Erhöhung der Mordprämie ist eine dermaßen demonstrative Provokation für alle gesprächswilligen westlichen Regierungen, daß wohl kaum etwas anderes übrig bleibt, als alle offiziellen Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Die Frage ist aber, ob ein Boykott aller iranischen Kultureinrichtungen, wie sie der Börsenverein des deutschen Buchhandels in verständlicher Empörung jetzt fordert, nicht das Gegenteil von dem bewirkt, was damit beabsichtigt ist.

Nichts bringt Regime wie das im Iran mehr in Verlegenheit als die kulturelle Auseinandersetzung mit dem Rest der Welt. Wenn überhaupt, dann über den Kulturbereich ist es möglich, Kontakte zu Iranern aufrechtzuhalten, die nicht auf Linie sind. Es ist ja kein Zufall, daß diktatorische Regime von sich aus die Tendenz haben, sich abzuschotten. Die westlichen Intellektuellen sollten den alten Männern in Ghom diesen Gefallen nicht tun. Gerade die potentiellen Rushdies im Iran dürfen nicht mit ihren Machthabern allein gelassen werden. Jürgen Gottschlich