■ Vorlauf: Gerechtigkeit siecht
„Für Liebe und Gerechtigkeit“, Fr., 20.15 Uhr, ARD
Es ist alles genau so, wie wir uns ein aufgeklärtes Krimidrama wünschen: Die Heldin Irene Salvi (Mariangela Melato) ist Mitte Vierzig, karrierebewußt, aber nicht kinderlos. Sie hat ein großes Herz, vor allem für unschuldig verdächtigte Frauen, und natürlich zwei kluge Mitarbeiterinnen, die ihre Auftritte vor Gericht sorgsam vorbereiten. Und weil Irene Salvi eine starke Frau ist, hat sie auch noch ein trauriges einsames Privatleben – und ein gemütskrankes Kind.
Tatsächlich. Für solche Anwältinnen haben wir lange gekämpft. Die Plots der sechsteiligen deutsch-italienischen Koproduktion passieren locker alle eurofeministischen Unbedenklichkeitsschranken: Betrunkener Chirurg entfernt armer Patientin versehentlich die Gebärmutter; irregeleitete Mutter verkuppelt ihre Töchter an reiche Freier; renommierter Professor mißhandelt seine Gattin; junges Mädchen wird von Straßenmusikern in der Fußgängerzone vergewaltigt ... usw.
Uff. Bei so viel ausgewogener Gleichberechtigung (Männer sind böse, Frauen sind unschuldig; und wenn es umgegekehrt ist, hatten die Frauen gute Gründe) wird einem ganz schwindelig. Vielleicht haben Andrea und Antonio Frazzi ihre Regie deshalb so flach und unaufregend angelegt? Damit man wieder weiß, wo oben und unten ist? Heute gibt uns Carrière also zum Auftakt den aalglatten, stinkreichen Starchirurg, der mit besoffenem Kopf einer gesunden Frau ihre gesunde Gebährmutter entfernte. Nur selten sehen wir Carrière in seiner ganzen aufrichtigen Schlaksigkeit. Meist sitzt er als Angeklagter im Gerichtssaal und schüttelt während der Beweisführung ein ums andere Mal arrogant den Kopf, während sein armes Opfer in Großaufnahme verzweifelt ist. „Einspruch!“ ruft da die Verteidigung. Und sie hat völlig recht. So lethargisch kann man einen Gerichtskrimi nicht präsentieren. Nichts will sich hier in den Vordergrund spielen, nichts ragt hervor: keine intelligente Kamera, keine beeindruckenden Schauspielerleistungen, keine szenische Dynamik. Nein. Dieses politisch absolut korrekte Projekt hat sich nichts vorzuwerfen. Außer daß es sterbenslangweilig ist.Klaudia Brunst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen