Gesund bis zum Schlachthaus

■ Rindfleisch aus tiergerechter Haltung ist von BSE nicht betroffen, denn für Öko-Bauern gelten strenge Auflagen. Immer mehr Verbraucher wollen Fleisch von Öko-Höfen und sind bereit, dafür mehr zu zahlen.

Vor einigen Wochen geisterte die Meldung durch die Medien: BSE jetzt auch bei Bio-Rindern. Jetzt habe der Rinderwahnsinn auch die ökologisch korrekt wirtschaftenden Höfe erreicht. Sogar von Notschlachtungen war die Rede. Nachdem die Bio-Bauern bisher immer als die Nutznießer der BSE-Krise galten, waren sie auf einmal die Gehörnten. Zwar entpuppten sich die Meldungen schon bald als falsch, aber die Verunsicherung blieb.

Für Heinrich Rahlfs, Geschäftsführer der Neuland GmbH, einer Vertriebsorganisation für Fleisch aus ökologischer Haltung, war das alles Panikmache. Zwar liefen auch bei Neuland in den Tagen nach der Meldung des vermeintlichen ökologischen BSE-Falles die Telefone heiß, aber Rahlfs konnte die besorgten AnruferInnen beruhigen, weder ein Neuland- noch überhaupt ein Biohof waren betroffen. Trotz der Verunsicherung der Bevölkerung habe er keine Umsatzeinbußen feststellen können.

Neuland ist eine der Organisationen, die sich die Produktion von ökologisch korrektem Fleisch zum Ziel gemacht hat. Gegründet wurde der Verein im Jahre 1988 von fünf Umweltverbänden. Die Arbeitsgemeinschaft ökologische Landwirtschaft, der BUND, der deutsche Tierschutzbund, die Bundesorganisation der Verbraucherinitiativen und der Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen schlossen sich damals zusammen, um verbindliche Richtlinien zur artgerechten und umweltverträglichen Tierhaltung zu entwickeln.

Aufgrund dieser Richtlinien gründeten sich dann bald mehrere regionale Vertriebsorganisationen. Bauern, die sich verpflichten, die Neuland-Richtlinien einzuhalten, können im Verein Mitglied werden und dann die Dienste der Vertriebsorganisation in Anspruch nehmen. „Unsere Mitglieder sind vor allem mittel- und kleinbäuerliche Betriebe“, so Heinrich Rahlfs.

Was heißt artgerechte und umweltverträgliche Tierhaltung? Für die Tier bedeutet es, daß Haltung und Fütterung den animalischen Bedürfnissen angepaßt sein muß. Um die Kriterien artgerechter Haltung zu erfüllen, müssen zum einen alle Rinder Weidegang und strohausgelegte Ställe in ausreichender Größe haben. Zum anderen muß die Nahrung der Tiere im wesentlichen aus Gras und Heu bestehen: Tierkörpermehl, synthetische Futtermittel sowie Antibiotika sind verboten.

Um umweltgerecht zu wirtschaften, sind die Betriebe dazu angehalten, ein bestimmtes Verhältnis von landwirtschaftlicher Nutzfläche und Dungeinheiten einzuhalten. Jeder Bauer sollte für zwei Kühe mindestens drei Hektar Boden besitzen, um der Überdüngung der Felder und der damit einhergehenden Grundwasserbelastung zu begegnen. Diese strikten Vorgaben bedeuten für die Bauernhöfe, die von Neuland anerkannt werden wollen, eine Zeit der Umstellung.

„Aufgrund der Generationsfolge der Tiere brauchen Betriebe ungefähr drei Jahre um die Vorgaben zu erfüllen“, erläutert Heinrich Rahlfs. Da auf Neuland-Höfen keine Rinder britischer Herkunft gehalten würden, seien BSE- Fälle bei Neuland-Bauern auszuschließen. Neuland produziere nicht nur BSE-freies, sondern vor allem qualitativ hochwertiges Fleisch. Deshalb sei der Umsatz im Jahre 1996 auch nicht eingebrochen. „Wir haben den Verkauf von Rindfleisch halten können.“

Bei der Fleischerei Kluge in Neukölln wird Fleisch aus der artgerechten Haltung der Firma Neuland angeboten. Die Aufregung um BSE hat auf die Kundschaft bisher keinen großen Einfluß gehabt, weder im Positiven noch im Negativen. „Die Medienberichterstattung zu BSE hatte zunächst eine leichte Schubfunktion“, sagt Inhaber Michael Kluge. Doch jenseits der Angst vor BSE-vergiftetem Fleisch sei das Bedürfnis der Kunden nach höherwertigem Fleisch gestiegen. „Die Kunden fragen nicht mehr nur nach dem Preis, sondern auch woher das Fleisch kommt.“

Michael Kluge verkauft seine ökologisch korrekte Ware nicht erst, seit Rindfleisch in Verruf geraten ist. Er hat sein Angebot bereits vor acht Jahren auf Neuland- Fleisch umgestellt. Und zwar wegen der besseren Qualität. „Für mich war damals eigentlich der Ofen aus“, erzählt er, „das normale Fleisch war einfach zu schlecht.“ 80 Prozent der Wurst, die bei ihm über die Theke geht, stellt Kluge selbst her, und das war mit konventionellem Fleisch nicht mehr möglich. Das Neuland-Fleisch hingegen sei trocken, gebe kein Wasser ab, und er könne damit wieder problemlos Wust herstellen. „Als Zusätze benutze ich nur Salz und Pfeffer, das war mit dem alten Fleisch nicht zu machen.“

Die Kunden erwarteten vernünftiges Fleisch, und das würden sie auch bekommen. Anhand der im Laden ausgelegten Höfeliste, die jeder Fleischlieferung beigelegt sei, könne jedeR nachvollziehen, woher das Fleisch komme. „Da kann jeder Kunde hinfahren und sich selbst ein Bild machen.“ Neuland kontrolliere die Höfe und begleite die Rinder von der Aufzucht bis zur Schlachtreife.

Auf einem Neuland-Hof könne es auch nicht passieren, daß die Identität eines Rinds wegen einer gefälschten Ohrmarke unklar bliebe – denn in den Zuchtpapieren stünden genaue Angaben. Außerdem überprüfe der Tierschutzbund regelmäßig die Betriebe. Deshalb ist Michael Kluge sicher, nur gutes Fleisch zu verkaufen: „Wir machen keine Sprüche, wir kontrollieren wirklich.“ Tobias Rapp