Lädierte Schönheiten

■ Lothar Lamberts „Blond bis aufs Blut“ im Panorama

„Nimm mich bitte nicht so, wie ich bin, sondern wie ich immer sein wollte“, steht als pathetisch-schönes Motto über dem neuen Film von Lothar Lambert. Wer will, kann den Satz auf das schwierige Liebesleben oder auf das Schauspielern oder auch auf die bislang 27 Filme des Berliner Undergroundregisseurs beziehen, in denen es immer um die lädierten Wünsche nach Schönheit, Glück, Liebe ging, auf die seine existenzgeschädigten Protagonistinnen noch nicht, wie es der Realitätssinn oder die Coolness gebietet, feige Verzicht geleistet haben.

In „Blond bis aufs Blut“ wird der oben zitierte Satz Gloria Mundi zugeschrieben, einer Schauspielerin, die – wie Marion Michael – Ende der fünfziger Jahre in Deutschland als blondes Urwaldmädchen Furore machte, gar Angebote aus Hollywood erhielt, doch dann ziemlich abstürzte. Drogen, Exzesse, irgendwann mordete sie gar ihre Mutter.

Gloria Mundi kehrt also zurück nach Berlin. Doch das Fernsehen interessiert sich nicht mehr allzusehr für den abgehalfterten Star. Nur der Offene Kanal bittet die Schauspielerin zum Interview. Die tapferen Fans hingegen sind hocherfreut und sehr aufgeregt.

In wunderbaren fiktiven Dokumentarszenen berichten mittlerweile graugewordene Männer von ihrer Mundi-Verehrung und wie sie versuchen, den Star mit ihrem internationalen Fanclub zu unterstützen.

Auch der junge Holger Miesbach (Hans Marquardt, der Kulturchef der BZ) verehrt Gloria Mundi. Mit seinem dicken Freund Dieter (Michael Sittner) engagiert er sich in einem Club, dessen Mitglieder sich allwöchentlich treffen, um Autogramme und Devotionalien bekannter Schauspieler zu tauschen.

Irgendwann treffen die beiden ihren schon recht lädierten Star zufällig im Café. Verschüchtert bitten sie um ein Autogramm und wünschen „Herzliches Beileid übrigens noch für Ihr ganz grauenvolles Schicksal“.

Holger Miesbach ist sehr begeistert und vor allem lebensuntüchtig. Regelmäßig rennt er zum bösen Psychiater. Außerdem lebt er noch bei seiner exzentrischen Mutter (die großartige kleine Berlinale-Fotografin Erika Rabau), die sich oft aufregt, wenn ihr Sohn mal wieder im Sitzen pinkelt und ein ungewöhnliches Hobby hat: Mit kieksiger Stimme spielt sie beim Telefonsex kleine Mädchen, denen auch „Connilingus“ nicht fremd ist.

Über seine Verehrung für Gloria Mundi vernachlässigt Holger seinen Freund. Statt mit ihm zu schlafen, terrorisiert er die Schauspielerin, die die meiste Zeit im Drogenrausch dahindämmert, mit Telefonanrufen. Schließlich entführt er sie gar, und alles endet in großen Katastrophen.

In „Blond bis aufs Blut“ gibt sich Lothar Lambert so entspannt, variantenreich, unterhaltsam und experimentierfreudig wie lange nicht mehr. Es gibt angenehm beiläufige Zitate aus der Filmgeschichte („Blow up“), psychedelische Traumsequenzen, die an B-Horrorfilme erinnern, großartig agierende halbprofessionelle Schauspieler, herrlich pathetische Filmmusik und vor allem herrliche Details: Irgendwann tanzt die leichtbekleidete Mutter vor ihrem lüsternen Sohn und dessen Freund. Damit sich die beiden vorstellen können, sie sei Gloria Mundi, muß sie sich die Hand vor die Augen halten, damit man ihren Kopf nicht sieht. Filme wie die von Lothar Lambert, der früher übrigens selber leidenschaftlicher Autogrammsammler war, sind leider selten geworden in Deutschland. Detlef Kuhlbrodt

„Blond bis auf's Blut“. Regie: Lothar Lambert. Mit: Hans Marquardt, Erika Rabau, Michael Sittner, Ulrike S., Carl Andersen, Nilgün Taifun, Marion Michael u.a. Deutschland 1997, 75 Min.

Heute: 23.30 Uhr Filmpalast; 24.2.: 21 Uhr im Atelier am Zoo