■ Querspalte: Das Spiel ist aus
Fußballfans haben es besser als Boxfans. Ein Fußballspiel dauert immer noch neunzig Minuten, während Boxkämpfe erst nach entsetzlichen, zeitraubenden Vorprogrammwirrnissen beginnen, dann aber, wenn es hart auf hart geht, gelegentlich schon nach Sekunden entschieden und vorüber sind.
Außerdem sind Boxfans dazu verdammt, ihre Leidenschaft mit Ebby Thust, Wolf Wondratschek, Heiner Lauterbach und zahllosen weiteren halb- oder viertelseidenen Ringschranzen und Kinnhakengesichtern teilen zu müssen. Bald jedoch wird alles anders. Uli Hoeneß möchte die neunzig Minuten lieber heute als morgen in ungenießbare Stücke hacken; in der Kunst, wie man die Portionen dann mit Reklame, Gefasel und sinnlosen Quiz-Einsprengseln wieder streckt, hat Reinhold Beckmann seine Branchenkollegen bereits hinlänglich unterwiesen. Und nun plant die ARD, die DFB-Pokalfinalspiele der Damen und der Herren am 14. Juni 1997 mit einem „an amerikanischen Vorbildern orientierten Begleitprogramm“ zu versehen. Für zweimal neunzig Minuten im Berliner Olympiastadion veranschlagt man deshalb bereits sieben Stunden Sendezeit, von 14 bis 22 Uhr. Das hat ein ruchloser Herr Schättle vom SFB jetzt mitgeteilt.
Totgeschlagen werden die sieben Stunden voraussichtlich mit Grußworten, Autowerbung, Autoverlosungen, Hundedressurnummern, Spielerfraueninterviews, inferiorem Cheerleadergehopse, Ein- und Ausmarsch grauenhafter Bumskapellen, Zirkeltraining, La Ola, Quizfragen und weiteren Autoverlosungen; mit der Menschheit ganzem Jammer also – und das muß ja wohl nicht sein.
„Wir holen uns das Spiel zurück!“ rufen die Fußballfans. Es geht aber auch anders. Man kann die kicker-Sammlung zum Altpapier geben, den Sportteil mit spitzen Fingern aus der Zeitung zupfen und wegwerfen, alle Stadien und Fußballübertragungen meiden und rufen: „Behaltet doch euer Scheißspiel!“ Jetzt würde ich es tun. Wenn ich es nicht längst getan hätte. Gerhard Henschel
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