Der Dealer kam in Uniform

■ Wieder mal Justizbediensteter beim Drogenschmuggel in Tegeler Knast gefaßt

In der Justizvollzugsanstalt Tegel ist erneut ein Beamter wegen Verdachts auf Drogenschmuggel in den Knast vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Der Vorfall ereignete sich bereits Ende vergangenen Jahres, die Justizverwaltung unterließ es jedoch, von sich aus die Presse zu informieren. Wie Justizsprecher Rüdiger Reiff auf Nachfrage erklärte, hat der Beamte A. eingeräumt, dreimal an einen Gefangenen Rauschgift, „vermutlich Heroin“, übergeben zu haben. Die konkrete Menge habe nicht ermittelt werden können. Binnen zwei Jahren wurde damit zum zweitenmal einem Angestellten in Berlins größter Männerhaftanstalt wegen Drogenschmuggels das Handwerk gelegt.

Der Beamte A. schleuste den Stoff in einen der sensibelsten Bereiche der Haftanstalt: In die sogenannte Drogenvorschaltstation. Dort sitzen Junkies ein, die dem Heroin entsagen wollen und sich freiwillig einem Urinkontrollprogramm unterziehen. Genau auf jener Station war vor zwei Jahren bereits ein Beamter wegen umfangreichen Handels festgenommen worden. Er hatte die Insassen mit 200 Gramm Heroin, Zigaretten, Schnaps und Lebensmitteln beliefert und wurde zu 34 Monaten Haft verurteilt. Vor Gericht versuchte sich der geständige Angeklagte damit zu entschuldigen, er sei wegen seiner homosexuellen Beziehung zu einem Insassen unter Druck gesetzt worden. Auf die Frage des Richters, ob er denn keine Skrupel gehabt habe, die therapiewilligen Gefangenen in Versuchung zu führen, erwiderte er damals: Gemessen an der Gesamtdimension des Drogenhandels in Tegel sei sein Beitrag gering gewesen. Und mit der Therapiewilligkeit sei es auch nicht weit her: Von 21 Gefangenen sei in der Regel nur einer ausreichend für einen Ausstieg motiviert.

Die taz erfuhr von dem neuerlichen Vorfall durch einen Insassen, der bis vor wenigen Monaten selbst heroinabhängig war. „Ich frage mich, was die Justiz für einen Anspruch an ihre Beamten hat, wenn die sogar auf der Drogenvorschaltstation das Gift hereinschleppen“, schimpfte er. Sich vom Heroin loszusagen, falle den Drogenabhängigen schon schwer genug. „Es ist schon ziemlich brutal, in dieser Situation ausgerechnet von Beamten in Versuchung gebracht zu werden.“

Die Justizverwaltung wird keine Konsequenzen aus dem neuerlichen Vorgang ziehen. Justizsprecherin Corinna Bischoff verwies darauf, daß die Beamten regelmäßig darauf hingewiesen würden, sich sofort zu offenbaren, wenn sie erpreßt werden. Mehr zu tun, sei nicht erforderlich, weil es in den letzten Jahren nur zwei solcher Vorfälle gegeben habe.

Insassen schildern die Zustände in Tegel ganz anders. Eine der wesentlichsten Bezugsquellen für Drogen seien die Bediensteten, heißt es. Der Tegeler Anstaltsleiter Klaus Lange-Lehngut wiederum bezeichnet dies als typische Knastlegende. In Wahrheit würden die meisten Drogen von Gefangenen bei der Rückkehr vom Freigang oder Urlaub im Darm versteckt in die Anstalt geschleust werden. Weitere Bezugsquellen seien Besucher und Lebensmitteltransporte. Nur in „absoluten Einzelfällen“ habe sich einmal ein Beamter als Schleuser betätigt. „Auch die Dunkelziffer kann nicht hoch sein, weil wir sonst mehr Hinweise bekommen würden“, glaubt Lange-Lehngut.

Die rechtspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, hält solche Reden für den klassischen Beweis dafür, daß der Anstaltsleiter „nicht über seinen Schreibtisch hinausblickt“. Die Struktur des Drogenhandels im Knast sei so angelegt, daß jeder Insasse, der plaudere, um seine körperliche Unversehrheit fürchten müsse. Plutonia Plarre