piwik no script img

Liebevoll Seichtes

■ Das Schwerhörigen-Theater Mimikry spielt die Komödie „Boeing, Boeing“

Eiche massiv kann Illusionen retten. Wären die Türen in Bernards Wohnung nicht so hölzern dick, würden seine drei Verlobten schnell merken, daß in jedem Zimmer eine Konkurrentin wohnt. Trotzdem bekommt Bernard in der Komödie Boeing, Boeing Koordinationsprobleme bei dem Versuch, seinen Terminkalender auf drei Frauen abzustimmen.

Klingt nach flacher Beziehungskisten-Geschichte? Es ist eine. Die Inszenierung des Mimikrytheaters ist ein seichtes Boulevardstück wie viele andere. Wer nicht vorher weiß, daß die meisten Schauspieler schwerhörig oder ertaubt sind, würde kaum einen Unterschied merken zu anderen Laien-Theatergruppen. Denn das Mimikrytheater spielt locker und souverän.

Die Zuschauer können die Sehschlizte in den Kulissentüren nicht sehen, die optische Stichworte für Auf- und Abtritte ermöglichen. Ein Schauspieler streicht sich durch die Haare, und los geht's. Dann knutscht Darstellerin Verena Fink in rotem Frotteeschlüpfer und T-Shirt mit Bernard (Christian Behr), als säße nicht das Publikum zwei Meter entfernt.

In fast allen Szenen halten die Schauspieler Augenkontakt zueinander. Der ist wichtig für die Verständigung, sagt Regisseurin Erla Prollius, die seit fast einem Jahr mit den elf Darstellern arbeitet. Die Gruppe wird von der Kulturbehörde gefördert, Jürgen von der Lippe und Rüdiger Nehmann sind Ehrenmitglieder.

Wer Boeing, Boeing sieht, hört spätestens nach ein paar Minuten auf, nach Unterschieden zu Hörenden-Theatergruppen zu suchen. Die Sichtlöcher in den Kulissen sind nicht zu erkennen, und die walkmangroßen Hörgeräte-Akkus an den Gürteln einiger Schauspieler fallen kaum auf. Merklich ist dagegen: die Gruppe mag ihre Inszenierung – mag Bernard, der von einer Frau zur anderen stolpert, und die ewig schlagenden Türen. Sie ergänzen jede der stereotypen Figuren um Details und retten so Marc Camolettis Komödie davor, langweilig zu werden. juw

21./22. Februar, 19 Uhr, Hamburg-Haus, Eimsbüttel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen