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„Wir sind nicht von gestern“

■ Elisabeth Lingner, Präsidentin der Synode der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, über das „Ringen“ um die Anerkennung eheähnlicher Partnerschaften und das Veto der Bischöfe gegen den Synodenbeschluß

Nach drei Jahren kontroverser Diskussion zu „Ehe, Familie und andere Lebensformen“ glaubten wir uns endlich am Ziel. Es wurde auch Zeit, da Kraft und Durchhaltevermögen ausgingen: Die Lebensformen sind ein existentielles Thema, besonders weil es so viel mit einem selbst zu tun hat. Aber ein Veto der Bischöfe verhindert seit dem 11. Februar, daß auch eheähnliche Partnerschaften, die „verbindlich und auf Dauer angelegt sind“, als „mögliche Lebensformen anerkannt“ werden können.

Die Anerkennung entzündet hier den Streit. Die Bischöfe sehen im Synoden-Beschluß eine Gleichstellung von eheähnlichen Partnerschaften mit der Ehe, und das läßt sich nach ihrer Meinung nicht mit unserem Bekenntnis und der Bibel vereinbaren. Die Ehe soll für sie die einzige Lebensform sein und bleiben, die eine evangelische Kirche anerkennen kann. Und doch: Das Parlament war anderer Meinung und hat anders entschieden. Liegt darin die Kränkung, daß die gewählten Vertreter des Kirchenvolkes die geistliche Führerschaft der Bischöfe nicht akzeptieren, ihre geistliche Autorität in Frage stellen?

Das Veto hat uns alle wie ein Schlag getroffen. Absolut kräftezehrende Diskussionen haben uns um die Position zum eheähnlichen Zusammenleben ringen lassen. Parlamentarische Prozesse sind mühsam, aber unvermeidbar, wollen wir nicht in totalitäre Systeme in der Kirche zurückfallen.

Ich bin sehr stolz auf unsere Synode und darauf, daß wir in diesem Kampf, in dem es um mehr als die Lebens-Formen geht, sondern eben um den Umgang der Kirche mit Sexualität, tatsächlich den Konsens in der Anerkennung gefunden haben. Daß wir zeigen: Wir in der Kirche sind nicht von gestern. Bei uns und in der Gesellschaft leben die Menschen nicht nur in Ehe und Familie, sie leben sehr vielfältig. Wir nehmen diese Entwicklungen endlich zur Kenntnis, wollen als Kirche Menschen in ihrer Lebensgestaltung begleiten und unterstützen, nicht bekämpfen oder bekehren. Die Ehe ist nicht die einzige Form, in der Liebe ist, wo es zu dauerhaften Beziehungen kommt, wo Menschen glücklich miteinander werden können.

Die, die anders leben, werden nicht als abweichend von der Norm begriffen, sie werden nicht mehr diskriminiert, sie werden anerkannt und in unserer Kirche willkommen geheißen zum Mitgestalten und Mitdenken. Auf diese Menschen wollen wir nicht mehr verzichten, sondern den Kontakt zu ihnen wieder neu suchen. Das heißt: In die Situation der Menschen hinein – und nicht über sie hinweg – Positionen entwickeln.

Und doch: Ein zweites Machtwort in dieser Frage wurde gesprochen. Völlig unverständlich der genannte Grund: Die Ehe sei nicht in ihrer Leitbildfunktion genannt. Ist das angesichts des moderaten Beschlusses nicht absurd? Haben unsere beiden obersten Seelsorger nichts verstanden von dem, was verabschiedet wurde? Wie kommt es, daß zwei (mächtige) Männer unserer Kirche den Prozeß der Öffnung verhindern und demokratische Beschlüsse unterwandern können?

Das läßt Zweifel an unserer Verfassung aufkommen, die dem Bischofskollegium bei Stimmenmehrheit die Möglichkeit eines permamenten Vetos einräumt, falls Beschlüsse dem Bekenntnis widersprächen. Es hat fatale Folgen für die weitere Arbeit der Synode. Denn wer sich ernsthaft auf einen Prozeß einläßt, der ist mit Recht enttäuscht, fühlt sich hinters Licht geführt und autoritär behandelt, wenn hinterher ein Schritt alles Vorherige beseitigen kann. Im selbst inszenierten Theaterstück spielen die Hirten keine heilvolle und integrative Rolle, fördern sie nicht die Einheit der Christenheit in Glaube und Lehre, wie es ihre Aufgabe ist. Für welchen Teil der Christenheit hier etwas gerettet und bewahrt werden sollte, darf zu Recht gefragt werden.

Im April wird noch einmal über die Anerkennung zu sprechen sein. Vielleicht dehnen wir den Begriff dann einmal aus und fragen uns, ob wir noch stolz sind auf die beiden „Väter der Kirche“, ob es sich tatsächlich bewährt, daß die Hamburger Bischöfin zum wiederholten Mal von den Amtsbrüdern überstimmt werden kann. Oder wir fragen, ob wir den kleinen Artikel unserer Verfassung, der ein Veto in dieser Form möglich macht, noch als sinnvoll anerkennen wollen, oder ob wir lieber unser grundsätzliches Veto einlegen.

All dies macht eine grundsätzliche Behandlung notwendig. Insofern hat der Einspruch der bischöflichen Brüder vielleicht sogar eine gute und innovative Wirkung gehabt. Wir danken den Bischöfen.

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