■ Kommentar: Verlierer Diepgen
Außerhalb der Berliner Grenzen ist kaum noch zu vermitteln, daß sich der Senat monatelang um eine Investitionsplanung stritt. In einer Stadt, deren Verschuldung die verfassungsrechtlichen Grenzen streift, müßte es eigentlich selbstverständlich sein, die Verwendung des knappen Geldes festzulegen. Wenn dies einleuchtend sinnvolle Projekt zu erbittertem Streit führte, sagt dies vor allem etwas über den Zustand der Koalition aus. Zu lange funktionierte das beliebte Spiel, Projekte mit zunächst kleinen Summen auf den Weg zu bringen, denen dann in den nächsten Haushaltsjahren die großen Finanzierungstranchen folgen mußten – immer mit Hinweis auf das bereits begonnene und damit nicht mehr zu stoppende Projekt. Mit Politik hatte das wenig zu tun, eher mit Klientelbedienung. Die SPD ist daran nicht schuldlos; schließlich hat insbesondere der sozialdemokratische Bausenator Nagel in seiner Amtszeit zahlreiche Mega- Bauprojekte auf den Weg gebracht. Auch damals war absehbar, daß Berlin dies nicht alles wird bezahlen können.
Ohne die unnachgiebige Finanzsenatorin Fugmann-Heesing und ihre Drohungen gegenüber der CDU gäbe es immer noch keine Investitionsplanung. Auch wenn der Regierende Bürgermeister Diepgen nun versucht, sich die Investitionsplanung auf seine Fahne zu heften, ist er der große Verlierer. Exemplarisch ist in den letzten Wochen deutlich geworden, wie seine Gestaltungskraft schwindet. Diepgen wird zwischen den Forderungen der SPD-Seite und den Begehrlichkeiten aus den eigenen Reihen zerrieben.
Man erinnert sich: Im Sommer letzten Jahres verkündete Diepgen großspurig, bereits vor den Haushaltsberatungen für 1997 werde über vor- und nachrangige Projekte gesprochen werden. Nichts geschah. Auch bei der quälenden Haushaltsklausur im Herbst letzten Jahres ließ Diepgen jede konzeptionelle Idee vermissen. Seit Monaten geht die Debatte praktisch am Regierenden Bürgermeister vorbei. Das erklärt auch die wütenden Reaktionen der CDU auf die Finanzsenatorin. Diepgen hat eine Kiste Champagner gewettet, daß die Große Koalition bis zum Ende der Wahlperiode hält. Da mag er recht behalten. Ob der dienstälteste Regierende Bürgermeister aber 1999 noch die erste Wahl seiner Partei darstellt, ist nach den letzten Wochen zweifelhaft geworden. Gerd Nowakowski
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