American Pie
: Pat Riley hat ein neues Ekel

■ Munteres Bäumchen-wechsel-dich-Spiel in der NBA

Bad news on the doorstep

Als NBA-Spieler ist es nicht ratsam, zu große Bindungen an eine Stadt oder einen Freundeskreis zu entwickeln, denn es kann sehr leicht passieren, daß man morgens als Spieler von Miami Heat aufwacht und abends schon bei den Dallas Mavericks trainiert – so wie der Serbe Sascha Danilovic. Keiner kennt derartige Situationen besser als Sam Cassell, der seine Koffer gar nicht mehr auszupacken braucht. Zu Saisonbeginn mußte er von Houston zu den Phoenix Suns, die schickten ihn weiter nach Dallas, seit Montag ist er ein New Jersey Net.

Kurz vor Transferschluß am Freitag ist in der NBA noch einmal das Wechselfieber ausgebrochen. In Dallas etwa spielt jetzt kein Akteur aus der letzten Saison mehr. In alle Winde zerstreut die „Three J's“, die aus den Mavericks einen Meisterschaftsanwärter machen sollten, aber mehr durch interne Querelen auffielen. Jason Kidd ist seit einigen Wochen bei den Phoenix Suns, Jamal Mashburn seit ein paar Tagen in Miami und Jim Jackson nun in New Jersey. Neben Cassell begleiteten ihn All- Star Chris Gatling, Guard George McCloud und Center Eric Montross nach Norden. Die Nets gaben den langen Shawn Bradley, bester Blocker der Liga, Robert Pack, Khalid Reeves und Ed O'Bannon an Dallas ab. Aus Miami kamen neben Danilovic, der beim 100:95 gegen Vancouver gleich 19 Punkte machte, noch Kurt Thomas und der in Miami kaum eingesetzte Este Martin Muursepp nach Texas.

Ein wahrhaft furioser Einstieg des neuen Mavericks-Managers Don Nelson, der seinen Job erst am 7. Februar angetreten hatte. Nelson ist einer der erfolgreichsten Coaches der NBA-Geschichte, und sein Sachverstand soll die Mavericks, die es diese Saison erst auf 17 Siege gebracht haben, nach dem Desaster mit den „Three J's“ endlich nach oben bringen. Erschüttert war Nelson vor allem über die Atmosphäre im Team: „Ich habe das beobachtet, und mir ist schlecht davon geworden.“ Ähnlich ging es Jamal Mashburn, der über die Nachricht, daß er zu einem anderen Klub müsse, so glücklich war, daß er eine Stunde lang gar nicht fragte, wohin.

In Miami liegen die Dinge völlig anders als in Dallas. Das Team ist derzeit mit 39 Siegen das zweitbeste der ganzen Liga hinter den Chicago Bulls, dennoch war Coach, Manager und Teilhaber Pat Riley nicht zufrieden. Als die NBA im Sommer den Vertrag mit Juwan Howard wegen Verstoßes gegen die Gehaltsobergrenze annullierte, war der perfektionistische Riley – wegen seiner klugen Sprüche und dem Abwehrverhalten seiner Teams, das an Footballmanschaften gemahnt, nicht gerade beliebt – das Gespött der Liga. Doch er schaffte es, aus den Trümmern des geplatzen Howard-Deals um Alonzo Mourning, Tim Hardaway und Voshon Lenard herum ein vorzügliches Team aufzubauen. Während der Saison kamen aus Europa Willie Anderson, der sich in Piräus mit dem Coach überworfen hatte, und John Crotty, der bei Teamsystem Bologna gescheitert war; was fehlte, war ein erstklassiger Small Forward. Den glaubt Riley nun in Mashburn gefunden zu haben. „Wir haben drei gute junge Spieler für einen sehr guten jungen Spieler aufgegeben.“

Nun muß er dem Neuling nur noch die Team-Philosophie einhämmern, die der für sein brutales Training berüchtigte Coach so beschreibt: „Wir arbeiten am härtesten, haben die beste Kondition und sind das professionellste, selbstloseste, härteste, ekligste und unbeliebteste Team der Liga.“ Matti Lieske