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Milchstrudel an Kalaschnikow

■ Die Jahresausstellung der Hochschule für bildende Künste ist wie erwartet bunt

Mit welchen grundverschiedenen Mitteln der Kunstnachwuchs sein Selbstverständnis im Arsenal des immer schon Dagewesenen artikuliert, wird nirgends so deutlich, wie bei der Jahresausstellung der Hochschule für bildende Künste. Dabei fielen bei dem Besucherandrang der Eröffnungsfeier am Dienstag abend eher die spektakulären Objekte ins Auge und kleinere und ironische Arbeiten oder sensible Bilder wie die Farbtafelmalerei von Christian F. Kintz wurden leicht übersehen. Die stilleren Tage danach bieten jetzt Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit „der Anstrengung des Blicks und der Liebe zu Sehstörungen“, die Hochschulpräsidentin Adrienne Göhler in der Eröffnungsrede anempfahl.

Die Vorverlegung der Jahresausstellung um ein Semester anläßlich der Eröffnung der Galerie der Gegenwart bezeichnete sie als „Positionsbestimmung und nicht als Trittbrettfahrerei auf der Staatskarosse“. Eine in der Lehre vielschichtige und in der Produktion experimentelle Schule kann nur eine Position mit Nachdruck einfordern: So wenig Einengung durch Sparhaushalte und Neoklassizismen wie möglich, kurz: Freiraum für die Kunst.

Und dafür lohnt es sich zu streiten, auch wenn die Zeichen hier und heute noch nicht auf Kampf stehen. Immerhin liegt in der Klasse von Prof. Büttner eine Original Kalaschnikow, bewacht von einem Waffenmeister. Das unbestritten erfolgreichste Produkt der UdSSR dient als Anschauungsmaterial zum Video-Interview, das Silvana Toneva mit dem Erfinder geführt hat. Ein durch und durch optimistischer Mann, der die „einfachste und beste Waffe der Welt“ mit dreiundzwanzig Jahren erfunden hat und heute friedlich und zufriedenRosen züchtet.

Eine zivile Armee von 7.103 Playmobilfiguren hat Kiki Ahlers aufgebaut. Eine Namensliste ermöglicht über Zahlencodes die Re-Iindividualisierung der Modellmenschlein. Füllt diese Massenansammlung einen ganzen Raum, sind andere Arbeiten unauffälliger: Verdoppelung des Treppengeländers, kleine Fensteraussichten in Fensterlaibungen, Wolfsköpfe im Aufzug oder ein Paar Babyschuhe in der Ecke, gespickt mit Stecknadeln (Marnie Moldenhauer).

Die BesucherInnen können sich in einen Lichttunnel begeben oder auf dem Küchentisch einen Milchstrudel entdecken (Christoph Ebener). Sie können den Fotografen in die Ausleuchtung letzter unbekannter Winkel folgen oder sich selbst im „Humanophotomat“ ablichten lassen.

Daß das Künstlerleben aber kein leichtes ist, deuten schon die Hürden im Eingang an, eine Leihgabe aus Springreiterkreisen. Und das liebe Geld? Christian Jankowski hat dazu die ultimative Idee: er hat Sponsorengelder gesammelt und versucht, sie im Spielcasino zu vermehren. Leider hat er verloren und für seine Arbeit blieb nur der Kartoffeldruck.

Hajo Schiff

Lerchenfeld 2, Averhoffstr. 38 und Wartenau 16, tägl. außer So, 11-19 Uhr, bis 25. Februar. Täglich versch. Veranstaltungen. z.B. Di, 17 Uhr: Uwe M. Schneede und O. M. Ungers im Gespräch.

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