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Kritik an Abschiebung

■ Innenausschuß: Termin für Rückkehr von Kriegsflüchtlingen unrealistisch

Berlin (taz) – Zumindest auf Bundesebene zeichnet sich ein parteiübergreifendes Nachdenken über die bisherigen Pläne zur „Rückführung“ bosnisches Kriegsflüchtlinge ab. Bemerkenswert einhellig berichteten gestern Vertreter sämtlicher Parteien von CDU bis PDS im Innenausschuß des Bundestages über eine Delegationsreise durch Bosnien Ende Januar. Der gemeinsame Bericht über diese Reise liest sich als unmißverständliche Kritik an dem Zeitplan, den die Innenminister von Bund und Ländern für die „Rückführung“ der Flüchtlinge festgelegt haben. Der Innenausschuß gab zwar keine Empfehlung an die Länder ab, den 1. April 1997 als Stichtag für den Beginn der „Rückführung“ aufzuheben. Die Zeitvorgaben und die pauschalen Kriterien, die die Innenministerkonferenz den Flüchtlingen auferlegt hat, seien jedoch wenig realistisch und müßten angesichts der Gegebenheiten in Bosnien „differenziert“ werden, lautete der parteiübergreifende Tenor. Unter dem Eindruck wachsender Kritik an ihren „Rückführungs“-Plänen will die Innenministerkonferenz nun selbst Emissäre nach Bosnien schicken. Ende der Woche sollen die Minister Beckstein, Geil und Glogowski erneut die Lage vor Ort erkunden. Erst danach wird sich entscheiden, ob die Innenministerkonferenz zur Korrektur ihres eigenen Beschlusses bereit ist, der mittlerweile von kaum einer Seite noch für vernünftig und durchführbar gehalten wird.

Anfang des Jahres hatte das Bundesverteidigungsministerium unmißverständlich vor einer „destabilisierenden“ Wirkung von Massenabschiebungen aus Deutschland gewarnt. Die Ankunft der Rückkehrer könne gewaltsame Konflikte zwischen den Volksgruppen anheizen und damit auch die an den SFOR-Truppen beteiligten Bundeswehrsoldaten gefährden. Auch der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes zeichnet angesichts des schleppenden Wiederaufbaus Bosniens eine düstere Prognose für die Aufnahmefähigkeit einer größeren Zahl von Rückkehrern. Vera Gaserow

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