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Zündeleien mit Wasserfarben

■ Ex-Kunstforum-Kuratorin Barbara Claassen-Schmal wagt sich mit eigener Galerie auf den Kunstmarkt

Die Bildinstallationen an den Wänden leuchten. Neonrot und wie aus einem großen Würfelbecher geschüttelt strahlen die Buchstaben „S“, „W“, „N“ und „O“ auf den Rahmen. Der bisher nur außerhalb Bremens einigermaßen weltberühmte Künstler Sarkis ist für dieses Windrichtungschaos verantwortlich. Daß der in der Türkei geborene Wahlpariser in einem Jahrhundertwende-Haus in der Hansestadt ästhetische Verwirrung stiften darf, ist Barbara Claassen-Schmal zu verdanken. Und die immerhin weiß, wo's langgehen soll.

In einigem Ungemach aus befristeten öffentlichen Diensten geschieden, hat sich die Ex-Kuratorin im Kunstforum Langenstraße in den vergangenen zwei Jahren seit Schließung des Forums zwischen New York und Wümme betätigt. Kuratorisch betreute sie junge und arrivierte Kunst, schrieb Katalogbeiträge und tat, was man sonst in diesem Metier tut. Dabei hat sie sich schließlich ein finanzielles Polster zugelegt, sich ein Projekt in den Kopf und jetzt in die Tat umgesetzt: Die Gründung einer Privatgalerie.

Für sie sei es inzwischen unmöglich, in einem Subventionsbetrieb zu arbeiten, erklärte Barbara Claassen-Schmal gestern bei einer Ortsbesichtigung nicht verbittert, sondern ganz deutlich über diesen Dingen stehend. Derweil Fliesenleger, Elektriker, Regaleinbauer und selbst der Künstler noch ihren Verrichtungen nachgingen, sprach sie uns von den Verlockungen der Unabhängigkeit, von ihrer Zeit in der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK) und natürlich von der Kunst selbst.

Hinter einer klassizistischen Fassade in der Bleicherstraße im Ostertor-Viertel residiert fortan Claassen-Schmals „Galerie für Gegenwartskunst“: Drei Räume mit geschliffenem Dielenboden und mit einer aufwendig restaurierten Stuckdecke darüber. Nichts verrät, daß hier einmal eine gute Stube und sonstwas gewesen sein muß. Doch all das haben die Galeristin und ihr Gatte für die Kunst geräumt und sich selbst unters Dach zurückgezogen.

Wo früher ganz gewiß kein röhrender Hirsch hing, hängen jetzt die Elemente von Sarkis Installation „Nord Ost West Süd“. Der vor zwei Jahren mit einer Retrospektive in der Bonner Bundeskunsthalle auch dem deutschen Publikum vorgestellte Künstler kombiniert sein Spiel mit den Himmelsrichtungen auf den Rahmen mit manipulierten Architekturskizzen: Wände oder schwarz getuschte Möbel sind mit roten Aquarellstrichen versehen – das Ganze eine Zündelei mit Wasserfarbe. Dieses Paradoxon durchzieht auch die zweite größere Arbeit „En aquarelle rouge“, die ebenfalls als Rauminstallation daherkommt.

In seiner Nähe zur Installation, zum Raumkonzept und zur Arte Povera sowie in seiner Verwendung von immer wieder benutzten Fundstücken entstammt Sarkis ganz offenbar einer in den 70er Jahren aufgekommenen Richtung, woraus auch die Galeristin keinen Hehl macht. „Ich wollte Sarkis in Norddeutschland bekannt machen“, sagt Claassen-Schmal. Daß der die Einladung angenommen hat, ist indes Beleg genug für ihre guten Kontakte.

Gleiches gilt für den aus derselben Künstlergeneration stammenden Terry Fox, der ebenso wie Sarkis zugesagt hat, als die Galerie noch längst nicht existierte, und der die zweite Ausstellung bestreiten wird. Damit läßt sich gut von sich reden machen, doch Barbara Claassen-Schmal hat für die Zukunft anderes im Sinn. Auf Künstler drei und vier – den Schweizer Urs Lüthi und den Österreicher Martin Walde – sollen im nächsten Jahr Ausstellungen mit Arbeiten von völlig unbekannten ZeitgenossInnen folgen.

„In meiner Zeit in der GAK habe ich Künstler wie Norbert Radermacher oder Christina Kubisch vorgestellt.“ Damals kannte sie noch keiner, heute halten viele von ihnen Professuren. Diese Karrieren will Claassen-Schmal für sich urbar machen: In Zusammenarbeit mit der Kubisch, mit Lüthi, den sie als Kurator gewonnen hat, und anderen will sie auf Talentsuche an Hochschulen gehen und „die noch nicht Etablierten“ zeigen.

Zu diesem Konzept gehört einiger Mut. Aber Mut gehört schon dazu, heutzutage eine Galerie zu eröffnen. Doch selbst auf diese Frage weiß Claassen-Schmal gleich zwei Antworten: „Wenn jetzt ein Boom wäre wie Ende der 80er Jahre, könnte ich mit einer neuen Galerie gar nicht daran teilhaben.“ Und: „Es ist genau die richtige Zeit, in Ruhe etwas aufzubauen.“

Christoph Köster

Eröffnung von Sarkis „Nord Ost West Süd“ und „En aquarelle rouge“ am heutigen Freitag um 20 Uhr in der Galerie für Gegenwartskunst, Bleicherstraße 55. Ausstellungsdauer bis 25. März

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