: Bonanza-Land abgebrannt
Die Cartwright-Club-Tour als das Ende des Event-TVing: Mit Strohballen, Chili und Freibier inflationiert Kabel 1 die Kultserie „Bonanza“ ■ Von Kirsten Niemann
Wie alle Kinder der sechziger Jahre klebte man seinerzeit Sonntag abends um 18 Uhr vor der Mattscheibe. Nachdem die Landkarte der Ponderosa in Flammen aufging, überstand der Cartwrightsche Junggesellenclan diverse Abenteuer gegen Gesetzlose und Revolverhelden, trieb seine Rinder hin und her oder flickte einfach nur die Weidezäune. Das war spannend. Denn daß man sich bei der Serie „auch mal fünf Minuten zu spät ins Geschehen zappen kann, ohne schon den Faden verloren zu haben“ (PR-Text Kabel 1), und daß dieses Geschehen vor unglaublich schlechtgemachten Pappmaché-Kulissen stattfand oder Little Joes Hemd selbst nach fünf Prügeleien noch so gut in Schuß war wie am ersten Drehtag, ist einem eigentlich erst bei den 1993 von Sat.1 gesendeten Wiederholungen aufgefallen. Bonanza – da waren sich alle alten Fans einig – das war echter Trash und wenigstens für die Laufzeit der Wiederholungen sogar irgendwie Kult!
Seit dem vergangenen Jahr flimmert die Cartwright-Saga nun schon wieder über den Bildschirm. Diesmal auf Kabel 1, dem Sender, der mit 30 Episoden in deutscher Erstausstrahlung den „Bonanza- Kult komplett“ (PR-Text Kabel 1) machen will. Noch kompletter macht ihn dagegen RTL: In einem zweifelhaften Next-Generation- Fernsehfilm namens „Angriff auf die Ponderosa“ werden uns heute abend Ben Cartwrights Enkel präsentiert; unter anderem gespielt von Michael Landon jr. und dem ebenfalls schwergewichtigen Hoss- Sohn Dirk Blocker. [Lesen Sie dazu bitte auch die Ankündigung 50 cm rechts von hier; d. Red.]
Doch damit nicht genug. Nach bestem Vorbild diverser Trekkie- Spektakel, der Verbotenen-Liebe- Party-Tournee und anderem Event-TVing, gibt sich Kabel 1 ganz trendbeflissen: Anläßlich des 35jährigen Bestehens der Serie im Sommer veranstalten die Kabel 1- Macher derzeit eine Cartwright- Partyreihe, mit der sie sogar auf Tournee gehen wollen. Für den „Cartwright Club Tour“-Auftakt (mit dem Untertitel „Für ein paar Folgen mehr“) in Berlin waren gleich zwei Parties angesetzt: eine für das normal sterbliche Volk, zu der sich alle Bonanza-Fans gegen ein Eintrittsgeld von 15 Mark eingeladen fühlen sollten, und eine sogenannte VIP-Veranstaltung gleich nebenan; dazu wurden haufenweise Prommis aus dem Berlinale-Umfeld erwartet.
In beiden Fällen war das Ergebnis fragwürdig. Die öffentliche Party floppte auf der ganzen Linie, lediglich eine Handvoll Halbwüchsiger tanzte ausgelassen zu dem Western-Crossover-Sound des Kiss-99-DJs Funkmaster Confetti, der zu späterer Stunde jedoch das Chilibohnen-Büffet und Freibier der VIPs klar vorzog.
Selbst dort ging es so wenig authentisch zu wie auf einer Star- Trek-Party ohne Trekkies. Wer etwa gehofft hatte, daß einem überall Hoss-Double oder Hop- Sing-Lookalikes über den Weg laufen würden, der wurde enttäuscht. Nicht einmal ein Bonanza- Fanclub war anwesend. Entweder hatten sich die Veranstalter bei der Ausrichtung ihrer TV-Event-Party keine Mühe gegeben, oder es gibt hierzulande gar keinen Bonanza- Fanclub.
Mehr Wert legte man dagegen auf die Deko: Wildwestdias und Strohballen sollten eine gewisse Bonanza- Atmosphäre vermitteln. In einer Ecke flackerte ein Lagerfeuer aus Lichterketten und Pappmaché. Obendrein hatte man die „Incahoots“ aus Reinickendorf eingeladen, eine Country & Western-Tanzgruppe im Sonntagsstaat, die sich mit Stetson-Hut und Fransenhemd zu den Schlagern der Berliner „Country- Cousins“ im Line-Dance versuchten. Ebenfalls anwesend und Wildwestattitude verheißend war Oliver Gade, der „einzig wahre Cowboy Brandenburgs“. Mit zappelndem Lasso legte er eine rasante Sohle aufs Parkett, was schon irgendwie beeindruckte. Zur Kultserie befragt: „Mit Bonanza hab ich nix am Hut. Ich bin ein echter Cowboy!“
Vorzeigeprommi des Abends war der nette Lindenstraßen- Homo Karsten Flöter (Georg Uecker), der sich ganz offensichtlich bei einigen Gläsern Weißwein amüsierte. Ansonsten waren die Medienvertreter und all die Kamera- und Produktionsassistenten in der Überzahl. Alles in allem also eher wenig Kultiges auf dieser Kultparty. Sie bewies zumindest eines, nämlich daß sich ein Fernsehsender eben doch nicht ungestraft zum Kultträger erklären kann. Event-TVing ist demnach ab jetzt ein für alle Mal out, und was Kult ist, das bestimmen, bitte schön, immer noch wir!
„Bonanza“, werktags, 15.55 Uhr, Kabel 1. Die nächsten Bonanza- Events: am 10. März in München. Incognito/Kunstmarkt Ost; am 15. März Hamburg, Bierhaus Ebert's; am 21. März in Köln, 42 d.p.
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