: Netze über Netze legen
■ Differenzierung? Integration! (und neue Muster): „I Was A Jewish Sexworker“ von Phillip B. Roth (Panorama)
Der Regisseur Phillip Roth geriet auf einer Berlinale-Party an einen Mann, der ihm sagte, daß die meisten berühmten Filmleute zwar amüsante Gesprächspartner seien, ihre Filme aber miserabel und langweilig. „Sie sind nicht gerade ein Partyknüller“, fuhr der Mann Phillip B. Roth gegenüber fort, „also müssen Ihre Filme gut sein.“
Der Anfang von „I Was A Jewish Sexworker“ scheint dieser These recht zu geben. Phillip Roth nämlich hört seinen Anrufbeantworter ab, während er seiner Arbeit nachgeht: Er massiert Männer. Phillips Familie ist traditionell jüdisch und hat sich noch nicht so recht mit seiner Tätigkeit angefreundet.
Die Tante Nummer eins: „Hey, this is your auntie – the critically aunt, you know ... It's Yom Kippur!“ Die Tante Nummer zwei: „I know You're doing you're ... oh, ah – work.“
Phillip B. Roth erzählt von sich selbst und das in der Rückblende. Mit sechzehn macht er seine erste sexuelle Erfahrung. Als klar wird, daß Phillip nichts für Mädchen übrig hat, bricht seine Mutter in Tränen aus und sagt, daß Phillips Benehmen sie in den Alkoholismus treibe. Diese Ebene von Phillips Geschichte, Drama und jüdische Chuzpe, erntet beim Publikum viele Lacher, doch eine andere treibt die Leute eher aus dem Kino.
Phillip B. Roth versucht in „I Was A Jewish Sexworker“ familiäre Wurzeln, neu erfahrene Spiritualität und seinen aktuellen Lebensstil zusammenzuführen – eine sehr amerikanische Integrationstherapie, von African Americans, Indianern und Wasps so oder so ähnlich praktiziert, publiziert und verfilmt.
Es geht Roth nicht um Ideologisierung, sein Ansatz ist eher sentimental: Einmal tanzt er, ganz illustrativ, mit einem schönen, jungen Liebhaber zu Klezmer-Musik. Die Grenzen zwischen Folklore und Empfindung verschwimmen wohl nur für den – ungläubigen – Zuschauer, denn der Spaziergang durch die jüdischen Viertel New Yorks dient für Roth dem gleichen Zweck wie die Unterhaltungen mit Mutter und Tanten oder Liebhabern:
Netze (haltbietende, auffangende, gefangenhaltende) werden über andere Netze gelegt und ergeben das neue Muster. Auch eine Art „Amerikanischer Quilt“.
Die Sex-Performerin Annie Sprinkle hat – wie Rosa von Praunheim, der einmal Phillip Roths Liebhaber war und ihn auch ermutigte, Filme zu drehen – nur einen Gastauftritt in diesem Film. Anke Westphal
„I Was A Jewish Sexworker“. USA 1996. 75 Minuten. Regie: Phillip B. Roth. Mit: Phillip B. Roth, Rosa von Praunheim, Annie Sprinkle u.a.
Letzte Vorstellung: heute um 11 Uhr im Filmpalast
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