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Frühjahrsdiät für die Bahn

■ Laut Wirtschaftlichkeitsstudie ist ein Viertel des Netzes unrentabel. Privatisierung oder Stillegung als Alternative

Frankfurt/Berlin (rtr/dpa) – Dem Streckennetz der Bahn droht weitere Ausdünnung. Vor allem Verbindungen in den neuen Bundesländern könnten in nächster Zukunft stillgelegt werden. Das berichtet heute der Spiegel.

Bahn-Sprecher Reiner Latsch bestätigte am Wochenende, daß nach einer vom Unternehmen in Auftrag gegebenen Wirtschaftlichkeitsstudie eine Reihe von Bahnstrecken nicht ausreichend ausgelastet sei. Nicht bestätigen wollte der Bahn-Sprecher dagegen das im Spiegel referierte Ergebnis, wonach das Gros der Nebenstrecken nicht wirtschaftlich zu betreiben sei. Auf einem Viertel ihres Streckennetzes, so die Studie, fahre die Bahn AG rote Zahlen ein und suche deshalb nach Privatbetreibern für Nebenstrecken. Eine Alternative wären Streckenstillegungen – von bis zu 10.000 Kilometern des Netzes.

Vor allem die Instandhaltungskosten schlagen bei der Bahn enorm zu Buche: Pro Streckenkilometer müssen jährlich 75.000 Mark ins Netz gesteckt werden; in der Summe sind das 3 Milliarden Mark. Im Zuge der Bahnreform habe sich das Unternehmen verpflichtet, diese Kosten zu senken, so Bahn-Sprecher Latsch. Seit Inkrafttreten der Reform im Januar 1994 habe noch niemand der Bahn AG eine Strecke abgekauft. Für weitere Stillegungen, so der Sprecher, gebe es „aber noch keinerlei Beschlüsse“.

Während die Zukunftsaussichten für den Regionalverkehr der Bahn wenig rosig sind, glänzt die Gesamtbilanz der Bahn AG dank der Entlastung, die die Bahnreform dem Unternehmen brachte. 67 Milliarden Mark Schulden waren 1994 durch das Bundseisenbahnvermögen übernommen worden. Noch-Bahn-Chef Heinz Dürr trumpfte vergangene Woche auf der Bilanzpressekonferenz mit Erfolgszahlen auf: 16 Prozent Anstieg beim Passagieraufkommen, ein Umsatz von über 30 Milliarden Mark und ein Gewinn von voraussichtlich 670 Millionen Mark.

Die weniger schöne Kehrseite der Medaille: Trotz eines Beschäftigungsabbaus von fast einer Viertelmillion Bahnbediensteter liegt der Personalkostenanteil des Unternehmens immer noch bei nahezu 60 Prozent.

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