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Benachteiligte Jugendliche auf der Kippe

■ Demonstration gegen Stellenabbau und Spar-Kahlschlag bei benachteiligten Jugendlichen

Die Stimmung im Bremer Reichsbildungswerk ist explosiv. Laut Betriebsrat drohen rund 100 Kündigungen. Die Belegschaft ist empört über die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), das die Benachteiligtenförderung kappte – mit bedrohlichen Folgen für die Einrichtung. An der Universitätsallee droht ein Einnahmeneinbruch. Der Grund: Für lernbehinderte Jugendliche gibts kein Geld vom Arbeitsamt mehr; nur die Ausbildung von Schwerbehinderten wird noch gefördert. Die Folge: Auch das Personal wird überflüssig. Bis zu 80 von 250 Stellen sollen beim Berufsbildungswerk gestrichen werden. Von der Sozialpädagogin bis zum Koch. Für kaputte Sofas oder Schränke wird bei der bisher gut ausgestatteten Einrichtung schon jetzt Ersatz knapp.

Zum Protest zogen rund 400 Mitglieder von Belegschaft und SchülerInnen gestern vors Rathaus – gegen die bundesweiten Kürzungen „bei den Schwächsten der Gesellschaft“ und für die Chance auf eine Berufsausbildung für Lernschwache. Daß Bürgermeister Henning Scherf dort mit seiner Solidaritätsbekundung zugleich den Apell an die Lehrer verband, in Arbeitszeitfragen „vom hohen Roß zu steigen“, nahm man gelassen. Beim Bildungswerk arbeiten nur 27 Berufsschullehrer, deren Beschäftigung in diesem Jahr feststeht.

Doch innerhalb der übrigen Belegschaft brodelt es. Der Zorn richtet sich dabei auch gegen die Geschäftsleitung der gemeinnützigen GmbH. Diese habe nach der Hiobsbotschaft vom Kahlschlag allzu bereitwillig den Rotstift angesetzt und den Beschäftigten umgehend mit Kündigung gedroht – als erste von den rund 50 Einrichtungen des Reichsbundes in Deutschland. Deshalb fühle man sich schlecht vertreten, sagen die Beschäftigten allenthalben. In der Presse wollen sie namentlich aber lieber nicht erscheinen. Denn während die ersten befristeten Arbeitsverträge bereits auslaufen, verhandeln Betriebsrat und Geschäftsleitung um Sozialplan und Interessenausgleich für diejenigen, die das Unkündbarkeitslimit von 15 Jahren noch unterschreiten. Erste Kündigungen werden im Juni erwartet.

Geschäftsführer Eberhard Muras kennt die Gerüchte in der Belegschaft – und reagiert empfindlich. Daß er als ehemaliger Referent der Kulturbehörde dorthin zurückkehren könnte, habe nichts mit seinem Engagement zu tun. Man müsse sich den Fakten stellen. Und die sind, daß zwei Drittel der insgesamt 400 Plätze für Behindertenrehabilitation beim Reichsbund derzeit von Lernbehinderten besetzt werden – die künftig ohne Finanzierung bleiben werden. Dem stünden 50 finanzierte, aber wackelige Anmeldungen von Schwerbehinderten gegenüber. ede

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