: Fund im Führerbunker
■ Im Stasi-Aktenbestand „Untertägige Anlagen“: Vier Seiten Goebbels-Tagebuch
Nach dem Bau der Berliner Mauer ging die Stasi in den Untergrund. Um die Grenze auch unter Tage unpassierbar zu machen, erforschte man die zahlreichen Bunker und Tunnel im Grenzbereich Mitte. Stollen, die gen Westen führten, wurden eilig verschlossen. Bei dieser Arbeit haben die Stasi- Mitarbeiter auch die Bunkeranlagen von Hitlers Reichskanzlei betreten – einschließlich des sagenumwobenen Führerbunkers. Davon zeugen akribische Pläne, Fotografien und Beschreibungen, die die Gauck-Behörde gestern der Presse vorgestellt hat. Die Stasi- Ablage „Untertägige Anlagen“ enthält außerdem Unterlagen aus der Nazizeit, die bislang als verschollen galten. Aus dem Führerbunker barg die Stasi vier einzelne Seiten eines Goebbels-Tagebuches. „Sie (die Engländer, H.W.) ergehen sich in haltlosen Prahlereien und behaupten wiedereinmal, Berlin so ungefähr dem Erdboden gleichgemacht zu haben“, schreibt der Propagandaminister, vermutlich im Jahr 1944, selbstsicher. Und: „Sie haben in der Tat schwere Schäden angerichtet. Aber ein Angriff auf Berlin lohnt sich meines Erachtens für unsere Feinde heute nicht mehr so wie ein Angriff auf eine noch unzerstörte Stadt (...).“
Die Bunkeranlagen unter der Reichskanzlei, die Hitler ab 1937 erbauen ließ und die die Sowjets 1950 dem Erdboden gleichmachten, sind bis heute nicht gänzlich erforscht. Zu DDR-Zeiten lagen sie großteils unter den Grenzanlagen. Die nun gefundenen Akten stehen jetzt Fachleuten zur Verfügung. „Wir gehen davon aus, daß auch für Experten wirklich Neues dabei ist“, erklärt Johann Legner, Sprecher der Gauck-Behörde. Den Anlaß, sich mit dem Untergrund zu beschäftigen, lieferte ein Kellner, der sich kurz nach dem Mauerbau durch den Besitz von West-Zigaretten in den Verdacht brachte, die Grenzanlagen zu unterlaufen – und zwar in beiden Richtungen: Nach dem Einkauf kehrte er stets an seinen Arbeitsplatz zurück. Holger Wicht
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen