: „Eine Erinnerung, daß du nicht dazugehörst“
■ Auswirkung der Visumpflicht: Der 13jährige Türke Mustafa B. muß nach Hause
Heute muß Mustafa Feviz B. zurück in die Türkei. Für den 13jährigen gilt, wie für insgesamt 35.000 Kinder aus der Türkei, Marokko, Tunesien und dem ehemaligen Jugoslawien, die in Berlin leben, die neue Visum- und Aufenthaltsgenehmigungspflicht. Seit Anfang des Jahres ist die Kanthersche Regelung in Kraft.
Mustafa Feviz B. lebt seit zwei Jahren wieder bei seinem Vater in Berlin. Seine Mutter ist 1984 mit ihm und seinen beiden Geschwistern zurück in die Türkei gegangen, weil sein Vater arbeitslos wurde. Mustafa, der in Berlin geboren wurde, sagt: „Ich wollte aber immer zu meinem Vater zurück.“ Genau das ist das Problem. Wenn die Eltern beide hier leben würden, hätte er vom Einwohnermeldeamt einen Stempel in den Paß bekommen und könnte in Deutschland bleiben. So aber trifft Mustafa der Rückreisebefehl.
Eigentlich galt seine Aufenthaltsgenehmigung bis zum 10. Juni. Den Wechsel von der Grundschule in die Sophie-Scholl-Gesamtschule nach den Sommerferien hat sein Vater schon geregelt. Aber vor zwei Wochen kam der Brief: Mustafa falle nicht unter den Personenkreis der nachzugsberechtigten Familienangehörigen, weil seine Mutter in der Türkei lebt. „Angesichts der großen Zahl von ausländischen Kindern, die hier bereits leben, würde sich die Belastung der öffentlichen Einrichtungen, insbesondere der Kindertagesstätten und Schulen, noch verstärken.“ Mit freundlichen Grüßen, ihre Ausländerbehörde.
Mustafas Vater hatte schon 1995 den Antrag auf Aberkennung der türkischen Staatsbürgerschaft gestellt und gleichzeitig die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Der Antrag auf Familienzusammenführung wurde abgelehnt, da er nicht für den Unterhalt seiner Familie sorgen könne. Bis heute liegt sein Antrag unbearbeitet beim türkischen Konsulat.
Mustafa will Deutscher werden. Seine Freunde sind hier, sein Vater lebt seit 25 Jahren in der Stadt, hier in Berlin fühlt er sich einfach wohl. Er möchte Abitur machen und Ingenieur werden. Gegen die Ausweisung hat sein Vater vor Gericht Einspruch eingelegt.
Die Verunsicherung bei den Kindern ist groß. „Zehnjährige fragen uns jetzt, ob sie nur zwei Jahre hier bleiben können, wenn ihre Aufenthaltsgenehmigung befristet ist, und ob sie dann von ihren Eltern getrennt werden“, erzählt Sanem Kleff von der GEW.
„Du wirst jetzt schon bei deiner Geburt daran erinnert, daß du nicht dazugehörst“, sagt die deutsch-türkische Rapperin Aziza A. Zwischen allen Stühlen zu sitzen, weder türkisch noch deutsch zu sein, ist immer wieder Thema in ihren Liedern. „Warum kann der deutsche Staat nicht anerkennen, daß wir hier geboren sind, hier leben, und das seit den sechziger Jahren?“ Für Aziza A. ist diese neue Regelung ein weiterer Schritt zur Ausgrenzung.
Für Neco Celik, Mitarbeiter des Jugendzentrums Naunynritze in Kreuzberg, war der erste Besuch mit 16 Jahren bei der Ausländerbehörde ein Schock: „Da mußt du plötzlich um eine Aufenthaltserlaubnis bitten und stehst mit den anderen, gerade eingereisten, den ,wahren‘ Ausländern in einer Schlange.“ Nathalie Daiber
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