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Die Türkei guckt auf die Generäle

Der Konflikt um die laizistische Verfaßtheit der Türkei weitet sich zur offenen Staatskrise aus. Heute tagt der Nationale Sicherheitsrat: Die Militärs auf Konfrontationskurs mit Erbakan  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Erstmalig nach dem scharfen Wortwechsel zwischen dem türkischen Militär und der Regierung unter dem islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan tritt heute der Nationale Sicherheitsrat zusammen. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung stehen „fundamentalistische Strömungen“, die das „verfassungsmäßige System“ und die „Prinzipien der Republik“ bedrohen.

Der Nationale Sicherheitsrat, nach dem Militärputsch 1980 verfassungsrechtlich institutionalisiert, kann zwar formal nur „Empfehlungen“ an die Regierung aussprechen – in Wirklichkeit handelt es sich um eine Art Schattenkabinett, das wichtige Entscheidungen fällt, ohne parlamentarisch legitimiert zu sein. Die Militärs geben den Ton an. Der Generalstabschef und vier weitere Generäle sind die uniformierten Mitglieder, als Zivilisten gehören der Ministerpräsident, der Verteidigungsminister und die Außen- und Innenministerin dem Gremium an. Den Vorsitz führt der Staatspräsident.

„Das Schicksal der Regierung hängt an der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates“, sagt der einflußreiche Abgeordnete der islamistischen Wohlfahrtspartei, Adnan Menderes, der seinem Parteifreund und Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan empfiehlt, die Eskalation zwischen Militär und Regierung zu beenden. Mittlerweile wird in den Medien und im Parlament in Ankara offen über die Möglichkeit eines Militärputsches sinniert. Nach Auffassung von Oppositionsführer Mesut Yilmaz steht die Türkei am Abgrund. Die Regierung – so Yilmaz – „ist so blind, daß sie selbst die Panzer nicht sehen kann“.

Zahlreiche Vorfälle in den vergangenen Wochen hatten das Verhältnis der Regierung zu den Militärs getrübt. So erweckten Spitzenpolitiker der Wohlfahrtspartei den Eindruck, sie wollten die Türkei zu einem theokratischen Staat wandeln und den Laizismus, die verfassungsrechtlich verankerte Trennung von Staat und Religion, aufheben. Hisbollah und Hamas-Poster und eine Rede des iranischen Botschafters auf einer antisemitischen Veranstaltung, die von der Wohlfahrtspartei in der Kleinstadt Sincan organisiert worden war, hatten das Faß zum Überlaufen gebracht – mit Panzern war das Militär in den Ort eingerückt.

Eine scharfe Rede des stellvertretenden Generalstabsvorsitzenden Cevik Bir vergangene Woche in den USA, in der er den Iran als „terroristisches Land“ titulierte, die türkischen Streitkräfte als „Garantie des Laizismus“ pries und ganz beiläufig auf die Panzer in Sincan einging („Wir haben für die Demokratie die Räder ausgewuchtet“), schlug tagelang Wellen. Der islamistische Abgeordnete Kahraman Emmioglu forderte, der General solle vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Der Generalstab stellte daraufhin Strafantrag gegen den Abgeordneten, während die Parteiführung der Wohlfahrtspartei beschwichtigte.

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